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„...tut mir sehr leid“

■ Herthas Trainer Fuchs trauert ums Team und schilt den Schieri

Kaiserslautern. Vor dem Spiel waren alle noch recht freundlich zueinander. Im juvenilen Outfit schritten Schiedsrichter Lothar Löwer aus Unna und seine Linienassis den Rasen ab, fanden dabei Zeit für ein paar nette Worte für Werner Fuchs und Horst Wolter. Hinterher konnten sich die beiden nicht fassen. Der Pfeifenmann hatte Hertha BSC um einen verdienten Punkt betrogen. Nette Worte gab es jetzt keine mehr. Im Gegenteil. Abzusehen sei es gewesen, so der aufgebrachte Fuchs, „daß wir einen Elfmeter gegen uns kriegen, der Schiedsrichter habe in den letzten zwanzig Minuten jede klitzekleine Sache gepfiffen, immer in Strafraumnähe“.

Fünf Minuten vor Schluß geschah es dann: Kaiserslauterns tschechischer Libero Kadlec machte sich mit dem Ball auf in Richtung Hertha-Tor und das Unglück nahm seinen Lauf. Holzer brachte ihn zu Fall und Löwer pfiff Elfmeter, obwohl das Foul ein Stück außerhalb des Strafraums war. Nach Kuntz‘ 4:3 war Kaiserslautern Tabellenführer und Hertha psychisch k.o., hatte weder genügend Power noch Zeit, erneut dagegenzuhalten.

Dabei hatte es gut angefangen. In der 20. Minute war Axel Kruse im Strafraum von FCK Torhüter-Ehrmann umgestoßen worden. Der beste Berliner, Norbert Schlegel, im Mittelfeld überragend und als Libero viel zu schade, nutzte den Elfer zum 0:1. Indes - der Jubel geriet zu lange und provozierte die wütenden Pfälzer, die nun in der Manier einer Dampfwalze nach vorne preschten. Nach einem Preßschlag und einem abgeblockten Gewaltschuß der Roten wuchtete Frank Lelle den Ball zum 1:1 ins Netz.

Doch Hertha kam erneut. Fred Klaus, von Stumpf nie zu bremsen, ging zu Boden. Patzke zirkelte den Freistoß herein, erneut war Norbert Schlegel erfolgreich, diesmal mit herrlichem 16-Meter-Schuß. Schock für Kaiserslautern. Aber nun wurden die Herthaner vom FC Homburg-Bazillus befallen und brachten sich selbst um ihren Lohn. Sie ließen die Lauterer kommen, störten zu spät und dreißig Sekunden später drückte Hotic den Ball über die Linie.

Kurz danach Halbzeit. Die aufgebrachten Zuschauerinnen und Zuschauer müssen Herrn Löwer beim Gang in die Kabine so beeindruckt haben (die FCKler Ehrmann, Stumpf und Ernst hatten gelb gesehen), daß er fortan seiner Lieblingsfarbe blau abschwor und seine Vorliebe für rot entdeckte. Gelb wiederum gab es nur noch für Berliner Spieler (Gries, Holzer, Kruse). Wären die Herthaner jetzt erneut in Führung gegangen, hätten sie mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr verloren. Aber wie das so ist, mit Bundesliganeulingen. Sie spielen schön mit, gehen zweimal in Führung und dann...

74. Minute: Stefan Kuntz zieht aus 18 Metern ab, Norbert Schlegel verändert die Richtung des Balles - 3:2. Aber nun leisteten sich die Blauen den Gipfel. Sie stießen an, Holzer ging nach vorn, Halvorsen flankte und Mike Lünsmann glich wiederum in der gleichen Minute aus. Fassungslosigkeit, Bestürzung, ohnmächtige Wut bei Fritz Walters Enkeln über diese Frechheit des Tabellenletzten.

Jetzt kam die Sternstunde des Herrn Löwer, und der Hertha -Traum vom gewonnenen Punkt wurde zum Trauma. „Die Mannschaft tut mir sehr leid, sie hat aufopferungsvoll gekämpft und ganz hevorragend gespielt“, stellte sich Werner Fuchs anschließend vor seine Unglücksraben. Denen aber braucht, die Leistung vom Betzenberg vorausgesetzt, vor den nächsten Spielen nicht bange sein: Düsseldorf, Bochum, Bremen und Gladbach sind so zu packen. Auch ohne Rahn und Farrington.

Fehlen tut der Hertha nämlich kein Spieler, sondern eine stimulierende Heim-Atmosphäre wie am Freitag in der Pfalz, wo die Zuschauer alleine immer für einen Treffer gut sind. Das Olympiastadion ist hierfür zwei Nummern zu groß.

Günther Rohrbacher-List

Kaiserslautern: Ehrmann - Kadlec - Lutz, Stumpf (Dooley) - Scherr, Schupp, Ernst (46. Haber), Lelle, Kranz - Hotic, Kuntz.

Hertha: Junghans - Greiser (46. Gries) - Halvorsen, Jakobs - Holzer, Lünsmann, Schlegel, Scheinhardt, Patzke Kruse, Klaus (68. Mischke).

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