: Logische Konsequenz
■ betr.: "Verkauft, verprügelt und sexuell mißbraucht", "Dein Kind ist das Opfer seines Vaters", taz vom 5.9.90
betr.: „Verkauft, verprügelt und sexuell mißbraucht“, „Dein Kind ist das Opfer seines Vaters“,
taz vom 5.9.90
Wenn selbsternannte KinderschützerInnen am Werk sind, ist Logik nicht zu erwarten. Klassisches Beispiel ist der Bericht von Lisa Schönemann über den internationalen Kinderschutzkongreß samt angehängtem Artikel mit der Überschrift „Dein Kind ist das Opfer seines Vaters“. (...)
Daß Mißbrauch logische Folge von Verhältnissen ist, in denen der Gebrauch von Kindern selbstverständlich ist, ist wohl außerhalb der Vorstellungskraft von Lisa Schönemann. „Das Wort Mißbrauch läßt vermuten, daß es auch Gebrauch gibt. (...)
Wenn wir schreiben, daß Kinder oder Frauen mißbraucht werden, schreiben wir also, daß sie auf die falsche Weise gebraucht wurden. Das bedeutet, daß sie auch auf die richtige Weise gebraucht werden könnten. Damit würden wir vermuten lassen, daß es grundsätzlich die Möglichkeit gäbe, Kinder und Frauen als Objekte zu gebrauchen. Und das wollen wir nicht.“ (Thijs Besems und Gerry van Vugt: Wo Worte nicht reichen. Therapie mit Inzestbetroffenen)
Daß also die Verhinderung des Mißbrauchs die Verhinderung der Verhältnisse (!) voraussetzt, in denen Kinder gebraucht werden können; daß die Abschaffung statt der „Betreuung gefährdeter Familien“ die logische Konsequenz sein könnte, kommt Schönemann nicht in den Sinn. Aber eine Zeitung, die die Reparaturen am Kapitalismus für die einzig mögliche Politik hält, muß die Reparatur am Familialismus ja ebenso als einzige Alternative betrachten.
Hans Nieters, Bonn
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