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Ein Politiker ist auch ein Mensch

■ betr.: Leserbrief "Saustall" von Karl Schirmer, taz vom 12.9.90

betr.: Leserbrief „Saustall“ von Karl Schirmer, taz vom 12.9.90

[...] Ich weiß nicht im einzelnen, welche Erfahrungen Sie, werter Herr Schirmer, mit den Politikern gemacht haben, was Ihren Haß demzufolge auf mich zieht. Um es gleich zu sagen, ich lehne als konservativer Jurist Pauschalurteile gegen Menschengruppen strikt ab. Deshalb fühle ich mich von Ihnen ganz persönlich angegriffen und dem Zynismus höchsten Grades preisgegeben.

Da ist in Ihrer Optik ein Herr Dr.Diestel, Stellvertreter des Ministerpräsidenten und Innenminister, Politiker also. Und der kauft sich in Zeuthen ein Haus mit Grundstück. Das kommt Ihnen von vornherein anrüchig vor.

Herr Schirmer, haben Sie sich schon einmal darüber Gedanken gemacht, daß ein Politiker auch ein Mensch ist, der wie jeder andere Bürger das Recht hat, ein Anwesen zu erwerben? Ich gehe mit Ihnen konform, auch ich als Politiker muß dies legal nach gültigen Gesetzen tun. Genauso habe ich mich verhalten, und darin sehe ich nichts Widerwärtiges.

Können Sie sich nicht denken, daß ein Familienvater nach monatelanger Trennung endlich wieder mit Frau und Kindern zusammenleben möchte und zwar in der Nähe seiner Arbeitsstelle? Ich finde dieses Ansinnen nicht unmoralisch. [...]

Ich meine, gerade weil der Kauf eines Hauses so aufregend nicht ist, sollte doch auch in meinem Fall etwas mehr Sachlichkeit und Normalität an den Tag gelegt werden. [...]

Der Wechsel des Wohnortes fällt meiner Familie und mir ohnehin nicht leicht. Aber wie Sie sicher wissen, wurde ich durch meine Partei, die CDU, als Spitzenkandidat für die Wahl im Land Brandenburg aufgestellt. Und ich sehe es als meine heilige Pflicht an, als Politiker dem Gemeinwohl zu dienen, auch und gerade der Ideale des Umbruchs in unserem Lande willen. Deshalb auch dieser Umzu. Deshalb auch erfüllt es mich mit Zorn und Empörung, solch einen beleidigenden Leserbrief lesen zu müssen. [...] Dr.Diestel, Berlin 1086

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