piwik no script img

Linke Liste/PDS in der BundesrepublikHamburgs Linke auf PDS-Marsch

■ In NRW und in Bayern wurden Hamburgerinnen an die Spitze der Linken Liste/PDS gewählt. Die alte Liebe zur antikapitalistischen Einheitspartei hat auch Jürgen Reents, GAL-Promi, befallen. Nur das klare antikapitalistische Programm fehlt noch ...

Ich halte es für wichtig, daß eine neue Oppositionskraft entsteht und im Parlament präsent ist“, sagt Ulla Jelpke, als sie sich am Samstag in Dortmund als Kandidatin für Platz 1 der NRW-Reserveliste der Linken Liste/PDS vorstellt. Die Grünen, so die Hamburgerin, seien zu einer „perspektivlosen Gruppe“ geworden, weil sie sich immer weniger als Opposition verstünden und nur noch damit beschäftigt seien, in Regierungsbündnisse mit der SPD zu gehen. Ulla Jelpke wurde gewählt. Überraschen konnte das nicht, denn der „Arbeitsausschuß“ der Linken Liste hatte im Vorfeld der Landesversammlung ganze Arbeit geleistet. Wie von den Beteiligten geplant, gingen die ersten 8 Plätze — ohne Gegenkandidatur — an die vorher ausgeguckten Kandidaten. Juristisch verbindlich ist die Wahl der etwa 4-500 UnterstützerInnen zwar noch nicht, doch an der erforderlichen Zustimmung der 15 Mitglieder zählenden Wahlpartei Linke Liste/ PDS gibt es keine Zweifel. Mit Ulla Jelpke führt eine GALierin der ersten Stunde die Liste an. Mehr als 8 Jahre mischte die über den „Kommunistischen Bund“ zur GAL gestoßene linke Feministin in Hamburg auch als Abgeordnete kräftig mit. Auf Platz 2 tritt Peter Jaszczyk, vom Gewerkschaftsausschluß bedrohter Betriebsrat bei Opel Bochum an. Jaszczyk, vor 2 Jahren aus der DKP ausgetreten, gehört zu den führenden Köpfen einer oppositionellen Betriebsratsgruppe, die bei den jüngsten Betriebsratswahlen im Bochumer Opel- Werk sogar mehr Plätze errang als die offizielle IGM-Liste. Seine Kandidatur, so fürchtete am Sonntag ein Betriebsratskollege, könne den Zusammenhalt der Liste gefährden und die gerade anlaufende Solidaritätsbewegung gegen die beantragten Gewerkschaftsausschlüsse „auseinanderfliegen lassen“.

Mit der 46jährigen Helga Adler aus Ost-Berlin wirbt auf Platz 3 der Liste eine langjährige SED-Aktivistin um Vertrauen für die PDS. Sogar an dem sog. Dialogpapier mit der SPD durfte sie, seit 1963 Mitglied der Partei, mitarbeiten. Nach der Wende landete Helga Adler im Parteivorstand der PDS, seit dem 8.März stieg sie auch ins Präsidium auf. Zwar sei es „vermessen“, schon wieder so zu tun, „als wüßten wir, wohin es geht“, sagt sie, doch die „sozialistische Perspektive zu entwickeln“, sei „bitter nötig“, und dafür sei die Präsenz im Bundestag „ungeheuer wichtig“. Nicht eine kritische Frage wird ihr aus der Versammlung heraus gestellt.

Das Schweigen war womöglich bei vielen dem schlechten Gewissen gegenüber der eigenen stalinistischen Praxis vergangener Jahre geschuldet. Es hätte eine bittere Abrechnung werden können, z.B. die auf Platz 5 gesetzte Anna Schulte, Betriebsrätin in Hattingen: Mehr als 10 Jahre gehörte sie der KPD/ML an, jetzt ist sie in der „Vereinigten Sozialistischen Partei“ (VSP) aktiv. Ein Verein, der aus dem Zusammenschluß der KPD/ML und der Gruppe Internationaler Marxisten (GIM) erwuchs. Bei allen gaben sich die Versammelten mit der Angabe der früheren Parteimitgliedschaften zufrieden, nur einer sollte reden: Kuno Füssel, aktives DKP-Mitglied, von der Uni gefeuerter Theologe aus Münster, wurde bedrängt, sein Verhältnis zum alten DKP-Vorstand auszubreiten. Doch Füssel, auf Platz 8 nominiert, weigerte sich, „globale Verurteilungen auszusprechen“. Er habe es immer vermieden, Kritik nach außen zu tragen, „und das halte ich auch für richtig“. Mit Recht, befand Anna Schulte, denn genügend Grund zu Erklärungen „haben wir alle“. Und so blieben alle stumm. Walter Jakobs

Linke Bayern wählten Hamburgerin

„Wenn wir nicht äußerste Disziplin an den Tag legen und die Schlammschlachten nicht beenden, wird das Projekt LL/PDS scheitern“, wandte sich am Samstag abend im Nürnberger „Komm“ eine DKP-Frau hilfesuchend an die etwa 100 Teilnehmer des Bayernkongresses der LL/PDS. Gerade eben hatten einige ihrer Genossen vorgeschlagen, den Sprecher des DKP-Bezirksvorstandes Nord- Bayern, Reinhard Hanausch, auf Platz 1 der Kandidatenliste zu setzen. Gerd Elvers, 29 Jahre in der SPD und nun Leiter des Informationsbüros der PDS in München, zeigte sich erschüttert: „Es wäre unfaßbar, wenn dieses Projekt an so einer Sache scheitern würde.“ Nach mehreren Appellen wurde der Vorschlag schließlich wieder zurückgezogen.

Unter den sieben KandidatInnen ist auf Platz 4 PDS-Mitglied Walter Janka, unter der SED jahrelang inhaftiert. Spitzenkandidatin auf der bayerischen Liste ist ausgerechnet eine Hamburgerin: Christiane Reymann, bis zum letzten Jahr noch als „Erneuerin“ in der DKP. Sie befand sich während des Kongresses auf Wahlkampftournee für die PDS in Brandenburg. Severin Weiland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen