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Kandidat Duchac — ratloser Weichensteller in Thüringen

Mit dem CDU-Spitzenkandidaten für die Landtagswahlen in Thüringen im Wahlkampf/ Von Angriffen gegen SPD-Konkurrenten Farthmann hält er nichts  ■ Von K.-P. Klingelschmitt

Greußen (taz) — Der Kandidat lag schon am Boden — jedenfalls symbolisch. Eines der wenigen Plakate, die im Provinzstädtchen Greußen — im äußersten Norden des Bezirks Erfurt — den Besuch des Spitzenkandidaten der CDU für die Landtagswahlen in Thüringen ankündigen sollten, wurde von den kaufwütigen Menschen auf dem Marktplatz mit Füßen getreten: „Duchac kommt!“ stand auf dem verschmutzten Papier — und kaum einer hat's gemerkt.

„Wir haben nicht genug Geld für Wahlkampfmittel“, klagte der christdemokratische Bürgermeister der „Salamistadt“ Greußen, der für die Organisation von Duchacs Auftritt verantwortlich zeichnet, dem pikierten zukünftigen Ministerpräsidenten sein Leid ins Ohr. Nur knapp einhundert Greußener wollten hören, was der Kandidat an diesem regnerischen Dienstagabend auf dem Marktplatz zu sagen hatte. Doch Duchac sagte erst einmal gar nichts, denn die Lautsprecheranlage gab gleich nach den Eröffnungsworten an die „lieben Greußener“ ihren Geist auf: „Kommunistische Sabotage“ mutmaßten die Mitarbeiter des Bürgermeisters — doch selbst der rasch herbeizitierte private Elektriker scheiterte an den Tücken der Technik. Naß und kalt war's auf dem Marktplatz, und gerade als sich die ersten CDU-Fans auf den Heimweg machen wollten, rollte der Lautsprecherwagen des Kreisverbandes auf den Platz: Opel, der zuverlässige. Thüringen sei seine Heimat, Deutschland sein Vaterland und Europa seine Zukunft, verkündete Duchac dann unter dem verhaltenen Beifall der Greußener sein politisches Credo — und die Lautsprecher piepsten und knarzten.

Josef Duchac (52) ist der glaubwürdige Politikertyp mit gepflegten Umgangsformen und deshalb das krasse Gegenteil seines Herausforderers aus dem Westen, Friedhelm Farthmann von der SPD. Daß der schnodderige Farthmann öffentlich erklärt hat, eigentlich „keinen Gegner“ zu haben, weil Duchac den mehrmals geworfenen Fehdehandschuh des Chauvinisten aus Nordrhein-Westfalen noch immer nicht aufgenommen habe, ist für den aus dem Sudentenland stammenden Duchac eher „ein Kompliment“: „Ich mag das Wort Wahlkampf nicht, denn ich leiste hier Überzeugungsarbeit“, meint Duchac. Und er arbeite bereits an der „Zukunft Thüringens“, während Farthmann von einem „Show-Termin“ zum anderen hetze. Tatsächlich ist der Kandidat Duchac noch ganztägig als Regierungsbevollmächtigter für den Bezirk Erfurt in seiner Heimatstadt Gotha tätig. Und sein „Freund“ Helmut Kohl hat ihn bereits für die Übergangszeit nach der Vereinigung und bis zu den Landtagswahlen zum Landesbevollmächtigten für Thüringen ernannt. Duchac: „Dafür bin ich dem Kanzler unendlich dankbar, denn das ist ein Vertrauensbeweis in einer rechtlosen Zeit.“

Auf dem Marktplatz von Greußen jedenfalls warb Duchac um „Vertrauen für die Politik der Union“, die in schwierigen Zeiten auch in der Bundesrepublik die „Karre aus dem Dreck gezogen“ habe. Über den Marktplatz zogen derweil die Schwefelschwaden und kündeten vom Ende des Sommers in der DDR. Die Menschen in Greußen reagierten zunächst distanziert auf den Kandidaten, der im karierten Jackett und den gepflegten grauen Hosen auch rein optisch ein Kontrastprogramm zum „Plaste-und-Elaste-Schick“ seiner MitbürgerInnen bot. Der „Weichensteller für die Zukunft“ (Duchac über Duchac) überspielt seine Ratlosigkeit bei den Publikumsfragen nach der Zukunft des Kalibergbaus in der Region, nach der Sicherstellung der Grundversorgung mit Wohnraum oder etwa nach dem Termin der Auszahlung von Arbeitslosengeld nicht. „Wir gehen schweren Zeiten entgegen“, meinte Duchac, „aber zurück in den Sozialismus wollen wir doch alle nicht mehr!“ Diesmal kam der Beifall von Herzen. Und getragen von der ersten emotionalen Welle aus dem Publikum, sang Duchac dann das Hohelied der „sozialen Marktwirtschaft ohne Ellenbogen und Kapitalismus“. Und sein Kinderglaube an die „guten Konzepte dafür“, die in Bonn und Berlin von fleißigen Unionspolitikern bereits entwickelt worden seien, beeindruckte die Greußener. „Der Duchac ist wenigstens einer von hier“, meinte ein Rentner aus dem benachbarten Clingen.

Daß in Greußen kein Mensch den Spitzenkandidaten Duchac nach seiner Vergangenheit in der „Blockflötenpartei“ CDU befragt hat, überraschte dann den aller Voraussicht nach neuen Ministerpräsidenten des Landes Thüringen doch selbst. Nur zu gerne hätte Duchac nämlich vorgetragen, daß er bereits in den 60er Jahren aus dem Kreisvorstand der Union in Gotha ausgetreten sei, weil er „Schwierigkeiten“ wegen seines christlichen Engagements bekommen habe. Im Jahre 1986 sei er dann von der SED als Produktionsleiter der Gummiwerke Waltershausen „kalt geschaßt“ worden. Und da habe ihn die Partei an der Basis „aufgefangen“. Daß er jetzt zusammen mit dem Bundeskanzler für ein Foto für die CDU-Wahlkampfzeitung für Thüringen posieren durfte, macht ihn „stolz und glücklich“. Josef Duchac — der brave Mann aus Gotha.

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