: Paradesportler
■ Reinders in Rostock: „Wie macht der Kerl das nur?“
Stürmisch wie der Ostseewind hat sich Hansa Rostock auf den Weg Richtung Bundesliga gemacht. Den alteingesessenen Trainern in der ostdeutschen Fußball-Oberliga wird die Sache allmählich unheimlich. Argwöhnisch schielen sie nach Rostock zu ihrem Neu-Kollegen Uwe Reinders.
Der Ex-Braunschweiger übernahm mit dem FC Hansa Rostock eine Mannschaft, die im früheren DDR-Fußball als nervlich anfällig galt. Nach nur drei Monaten dürfen die Bundesligavereine langsam Flug-, Zug- oder Busverbindungen für die Reise an die Ostsee studieren. Rostock führt die Tabelle mit 12:2 Punkten souverän vor Dynamo Dresden (9:5) an. Fußball- Lehrer zwischen Ostsee und Erzgebirge rätseln: „Wie macht der Kerl das nur?“
Uwe Reinders lacht. „Es gibt eine ganz einfache Formel: Training muß Spaß machen.“ Eine der ersten Handlungen war es deshalb, die bei den Hanseaten verhaßten 4.000-m-Waldläufe abzusetzen. „Wann rennt ein Fußballer denn schon so eine Strecke am Stück?“ Der 35jährige Coach gab seinen Profis mehr Freiheiten. Früher waren sie von 9 bis 17 Uhr im Stadion eingesperrt. Jetzt heißt es: Vormittags eine Stunde Training, nachmittags eine Stunde Training und zwischendurch nach Hause.
Als der gebürtige Essener seine Kicker zur ersten Übungsstunde bat, stieß ihm einiges merkwürdig auf. Da warteten zwanzig ehrfurchtsvolle Männer auf ihn: Wie an der Schnur gezogen standen sie Schulter an Schulter, militärisch exakt an der Rasenkante ausgerichtet. „Ich hab' mich erstmal umgeschaut, ob da vielleicht noch ein General kommt und die Parade abnimmt“, zeigte sich Reinders sichtlich beeindruckt. Der Co-Trainer raunte ihm zu, er solle der Mannschaft „Sport“ zurufen, woraufhin die Truppe dann ein kräftiges „Frei“ zurückschmettern würde.
Den Schlüssel zum Erfolg sieht der gelernte Industriekaufmann in der Erziehung zu Selbständigkeit und Eigenverantwortung. „Nach dem Motto: Trainer, hier bin ich, mach mal was mit mir, läuft gar nichts.“ Reinders gibt immer volles Engagement, sagt oft ungeschützt und frei heraus, was er denkt. „Ich kann nun mal nicht ruhig auf der Bank sitzen bleiben“, entschuldigt er sich. „Mir tut jedes Foul an meinen Spielern weh, ich schlage jeden Paß mit. Schon einen Tag vorm Punktspiel bin ich elektrisiert. Da schlafe ich schlecht, und wenige Stunden vorm Anstoß peinigen mich Schweißausbrüche.“ Seine Kontrahenten auch.
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