: »Mangel an Handfesseln« bei der Berliner Polizei
■ SPD-Sicherheitsexperten tagten im Rathaus Schöneberg/ »Kriminalitätsrate wird steigen«/ Polizeilicher »Mischdienst« wurde gelobt
Berlin. Folgt man den Worten von Landesvizepolizeidirektor Dieter Schenk, rollt auf Berlin eine Welle der Kriminalität zu. Die Stadt, so sagte er am Mittwoch nachmittag bei einer Tagung von SPD-Sicherheitsexperten im Schöneberger Rathaus, sei schließlich »ein Edelstein in der Wüste«. Das Wohlstandgefälle der Stadt zum ehemaligen DDR-Umland werde zwangsläufig ein Steigen der Kriminalitätsrate in der Metropole nach sich ziehen. Ähnliches erwartet auch Gottfried Heinze, Landesdirektor bei der Schutzpolizei. Er sieht zusätzlich eine »Kriminalitätsverlagerung nach Ost-Berlin« kommen. Allein wegen der maroden baulichen Gegebenheiten könnten sich beispielsweise Einbrecher auf den Ostteil der Stadt spezialisieren.
Im großen und ganzen sah sich die versammelte Polizeiführung den kommenden Aufgaben gewachsen. Polizeidirektor Heinze räumt zwar ein, daß es nach der »Erstreckung« der Westberliner Polizeihoheit auf das Gebiet der früheren DDR- Hauptstadt »notwendigerweise viele Geburtswehen« gegeben habe — zehn Tage nach der »Hauruckaktion« sehe aber die »Situation nicht schlecht« aus. Gezeigt habe sich, daß die früheren Volkspolizisten auch bei den Westberlinern mit Akzeptanz rechnen könnten.
Alle Polizeisprecher lobten das Modell des »Mischdienstes«, bei dem 500 Westbeamte in den Ostteil der Stadt abkommandiert wurden. Es habe sich »hervorragend bewährt«. Die Stimmung unter den Kollegen sei gut, berichtete Heinze, und Kripodirektor Wolfgang Schinz fügte hinzu, die Opferbereitschaft unter ihnen sei »ungeheuer«.
Die Stimmung trübten nur die Personalräte. Sie beanstandeten die mangelnde Ausstattung in den »Polizeiabschnitten im Aufbau«, den ständigen Zwang zum Improvisieren und die hygienischen Verhältnisse in den früheren Vopo-Dienststellen. Kurz: »Es mangelt an den kleinsten Dingen«, an Formularen, an Kugelschreibern und nicht zuletzt an Handfesseln. Auf die unterschiedliche Besoldung in Ost und West angesprochen — die Ex-Vopos erhalten nur 40 bis 50 Prozent der Dienstbezüge ihrer Westkollegen —, reagierte Innensenator Pätzold empfindlich: »Die DDR ist nicht meine Erfindung.« So leid es ihm auch tue, es werde seine Zeit dauern, bis die Kollegen aus dem Osten bei den Dienstbezügen gleichziehen könnten.
Fraktionschef Ditmar Staffelt erklärte die bewährte »deeskalierende Polizeilinie« zur Prämisse der SPD- Sicherheitspolitik. Sie beinhalte auch, daß Auseinandersetzungen wie auf dem Alexanderplatz notfalls mit den »bewährten polizeilichen Mitteln im Keim erstickt« werden. Wer den »inneren Frieden« sichern wolle, da waren sich die SPD-Experten einig, müsse künftig auch für eine stärkere Verfolgung der Wirtschafts- und Umweltkriminalität Sorge tragen. wg
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