Die Kampfansage an Bonner Rotstiftpolitiker

■ Interview mit dem Ersten Bevollmächtigten der IG Metall, Manfred Foede, über die Streichung der Berlinförderung/ IG Metall, Arbeitgeber und Senat an einem Tisch INTERVIEW

Eine Premiere besonderer Art ging gestern im Haus des DGB über die Bühne: Erstmals saßen anläßlich der Betriebsrätekonferenz der IG Metall ArbeitnehmerInnen, Arbeitgeber und Mitglieder des rot-grünen Senats an einen Tisch. Zwar mußte sich Bundessenatorin Pfarr erneut herbe Kritik der Gewerkschaften an der rot-grünen Arbeitsmarktpolitik anhören. Doch in der alles beherrschenden Frage der Berlinförderung waren sich die Versammelten einig: Die in Bonn diskutierte Kürzung oder Streichung muß unter allen Umständen verhindert werden. Die taz sprach mit dem Ersten Bevollmächtigten der IG Metall, Manfred Foede.

taz: Die rund 200 Betriebsräte haben sich gestern quasi auf eine Kampfansage gegen jeden Streichungsversuch der Berlinförderung geeinigt. Glauben Sie, daß das den Bundesfinanzminister in Bonn beeindrucken wird?

Manfred Foede: Wir werden erst einmal in den Betrieben Unterschriften sammeln für den Erhalt der Berlinförderung, Betriebsversammlungen zum Thema abhalten und für den 14. November eine Kundgebung vorbereiten. Diskutiert wurden unter anderem Arbeitsniederlegungen. Eine eigene Arbeitsgruppe wird sich überlegen: Wie läßt man Bonn und besonders Waigel den politischen Druck hier in Berlin spüren.

Bonner Politiker argumentieren, daß die Voraussetzung für die Berlinförderung, nämlich die Insellage West-Berlins, entfallen ist...

Auf der Betriebsrätekonferenz haben wir eindeutig festgestellt, daß sich für uns ja nichts geändert hat. Mit Öffnung der Mauer sind ja nicht plötzlich die interessanten Arbeitsstellen in Forschung und Entwicklung nach Berlin verlagert worden. Für die Struktur der Arbeitsplätze in Berlin bedeutet das weiterhin, daß es weniger qualifizierte Arbeitsplätze sind, die durch drohende Rationalisierung, aber auch die Konkurrenz der Arbeitnehmer aus dem Osten ohnehin mehr gefährdet sind.

Zum anderen hat der Vertreter der Arbeitgeber auf der Konferenz ganz deutlich gemacht, daß die Standortnachteile für ihn weiterhin bestehen. Wenn der zum Beispiel für die Produktion bestimmte Rohre braucht, bekommt er die nicht im Umland, sondern muß immer noch höhere Anfahrtswege und Transportkosten einkalkulieren. Wenn die Infrastruktur hier erst einmal so gut ist wie für Betriebe in Stuttgart oder München, dann werden wir uns auch über die Berlinförderung unterhalten müssen.

Nach dem Fall der Mauer ist die Berlinförderung zumindest aus Sicht der Ostberliner eine »West-Berlin- Förderung«. Wie vertreten Sie denn Ihren Kampf für diese Besitzstandswahrung vor den Ostberliner ArbeitnehmerInnen?

Da haben wir Gewerkschafter wenig Sorge. Wir wollen ja nichts Neues für die Westberliner, sondern wir wollen etwas erhalten. Dafür werden auch die Kollegen in Ost-Berlin Verständnis haben, denn die wissen auch, daß der Arbeitnehmer einen Vertrauensschutz hat. Das gilt natürlich auch für den Unternehmer. Durchaus vorstellbar ist eine Unterstützung Ost-Berlins bzw. der fünf neuen Bundesländer durch Steuererleichterungen für Arbeitnehmer. Solche Lösungen müssen gefunden werden, wenn sich das Gefälle nicht mehr über Tarifverhandlungen ausgleichen läßt.

Die AL hat gestern ihren Vorschlag erneuert, die Berlinzulage in den höheren Einkommensgruppen auf maximal 4.800 Mark zu begrenzen. Die eingesparten Gelder sollen dann für einen Regionalfonds verwandt werden. Bei einem solchen Vorschlag muß einem Gewerkschafter doch warm ums Herz werden...

Nehmen wir mal an, wir kriegen die Zusicherung aus Bonn, daß in den nächsten zwei Jahren die Berlinförderung nicht angetastet wird. In dieser Phase kann man dann Regelungen diskutieren. Und da käme der Vorschlag der AL durchaus in Frage. Das ist uns natürlich lieber, als pauschal den unteren Einkommensschichten genauso einschneidende Kürzungen zuzumuten wie den besser Verdienenden. Solche Vorschläge würden dann auch am »Runden Tisch« diskutiert werden, den wir heute gefordert haben. Gespräch: Andrea Böhm