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Brandenburger Ampel auf Grün

■ Ampelkoalition wahrscheinlich/ SPD will in den nächsten Tagen mit allen möglichen Partnern reden/ Bündnis 90 meldet Anspruch auf Ministerposten an/ Wählerwanderung von PDS und CDU zur SPD

Potsdam. Brandenburg hat als einziges neues Bundesland den Christdemokraten einen Strich durch ihre schwarze Rechnung gemacht. Eine sogenannte Ampelkoalition zwischen SPD, Liberalen und Bündnis 90 hat große Chancen, da alle Beteiligten bereits grünes Licht für Gespräche gegeben haben. Konrad Weiß vom Bündnis 90 hat sogar schon Ansprüche auf drei Ministerposten angemeldet, die durch Marianne Birthler (Sozialpolitik), Matthias Platzeck (Umwelt) und Günther Nooke (in der Volkskammer zuständig für die Treuhand) besetzt werden sollen. Die SPD will allerdings mit allen möglichen Partnern, auch mit der CDU, Gespräche führen. Der neue Ministerpräsident Manfred Stolpe soll dann am 1. November gewählt werden.

Sicher scheinen in der neuen Landesregierung bisher nur ein Posten: Regine Hildebrandt als Ministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales und eben Manfred Stolpe als »Landesvater«. Im Gespräch sind der Landesbevollmächtigte Jochen Wolf für das Ressort Wirtschaft, SPD- Landesvorsitzender Steffen Reiche als Kultusminister sowie Thomas Krüger als Innenminister (siehe Kasten). Den Bereich Finanzen soll ein Westexperte übernehmen.

Günter Nooke und Matthias Platzeck vom Bündnis 90 hatten schon am Wahlsonntag ersten Kontakt zu Stolpe. Ihr Eindruck war »positiv«. Die Bürgerrechtler bedauern jetzt um so mehr, mit der Liste Grün- Grau-Lila (Grüne Partei, Senioren, Frauenverband) kein Wahlbündnis zustande gebracht zu haben. Zusammen mit deren knapp drei Prozent hätte es mit der SPD zur knappen Mehrheit gereicht. Auf die Liberalen wäre man dann nicht mehr angewiesen.

Direktmandate errangen nur die SPD (30) und die CDU (14). Die Wahlbeteiligung lag, wie von vielen Politikern befürchtet, mit 67,3 Prozent um 6 Punkte unter dem Wert der Kommunalwahlen vom 6. Mai.

Diestels erhoffter Koalitionspartner, die Deutsche Soziale Union (DSU), blieb mit 0,98 Prozent noch hinter den »Republikanern« (1,15) zurück. Die Reps waren in allen 44 Wahlbezirken vertreten und errangen dort jeweils ein, in Eberswalde, Spremberg und Senftenberg knapp zwei Prozent der Stimmen. Die Christliche Liga, die Deutsche Forum-Partei, die Biertrinker- Union, die NPD und die Domowina hatten mit dem Wahlausgang ebenfalls nichts mehr zu tun. Bemerkenswert: Brandenburg hat in jedem Wahlkreis etwa hundert Biertrinker- Wähler.

Infas-Analyse der Wählerbewegungen

Die zentralen Themen der Landtagswahlen, so schreibt das Bonner Institut für angewandte Sozialwissenschaften (Infas) in seiner Wähleranalyse unter anderem, »waren durch die Folgen der raschen Anpassung an Wirtschaft und Verfassung der BRD bestimmt gewesen, die vielen Menschen in der ehemaligen DDR mittlerweile doch etwas zu schnell gegangen ist; so jedenfalls äußerte sich fast die Hälfte (46 Prozent) der Befragten vor der Wahl, mit Ausnahme der CDU-Anhänger, quer durch die politischen Lager. An der Spitze der Tagesordnung dieser Landtagswahlen standen klassische nationale Probleme: Arbeit, soziale Sicherung, Preise, für die Bürger der Ex-DDR zugespitzt zu Fragen der Existenzsicherung. Die Landespolitik, die es ja noch gar nicht gab, konnte eine eigenständige Rolle dabei nicht spielen.

Brandenburg ist das Land mit den stärksten Zuwachsraten für die SPD (über acht Punkte) und relativ kräftigen Verlusten der CDU (im Schnitt über vier Punkte), so daß der Vorsprung der SPD mit neun Prozentpunkten deutlicher ausfiel als erwartet. Inzwischen ist die SPD in 38 der 44 Wahlkreise stärkste Partei. Im Berliner Umland gibt es keine CDU- Mehrheiten mehr. Die Sozialdemokraten haben sowohl in ländlich wie in industriell geprägten Regionen den ersten Rang inne. Der Zuwachs der Sozialdemokraten war am stärksten (mit 12,3 Punkten) in den Industrieschwerpunkten und in den landwirtschaftlichen Gebieten (9,5 Prozent). Bei den Industriearbeitern sind sowohl Bewegungen von der PDS zur SPD als auch von der CDU zur SPD zu beobachten. Klare Mehrheiten hat die Sozialdemokratie in Brandenburg und Potsdam mit 15 bzw. 20 Punkten Vorsprung vor der CDU.« adn/dpa/taz

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