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El Salvadors Armee unter Druck

Nach der Kürzung der US-Waffenhilfe fühlt sich die FMLN im politischen Aufwind  ■ Von Ralf Leonhard

San Salvador (taz) — Zwei Tote und etwa 15 Verletzte forderte Dienstag nachmittag ein Sprengstoffanschlag in San Salvador. Ein Geschoß zerstörte ein ganzes Haus im Bezirk San Francisco und tötete den 15jährigen Gerardo Salazar sowie dessen neunjährige Schwester. Oberst Mauricio Vargas, stellvertretender Generalstabschef der Armee, machte die FMLN-Guerilla verantwortlich. Die Attacke hätte dem nahe gelegenen Sitz des Generalstabs gegolten. Die FMLN hat sich jedoch nicht, wie bei eigenen Anschlägen üblich, zu der Tat bekannt.

In Erwartung einer neuen Großoffensive der Guerilla gleicht San Salvador einer Stadt im Belagerungszustand: Soldaten mit Patronengürteln um den Hals halten in allen Straßen nach „Terroristen“ Ausschau, Armeehubschrauber kreisen immer wieder über der Metropole. An den Küsten und an den Landstraßen patrouillieren Heeresverbände, um aus Nicaragua erwartete Waffenlieferungen abzufangen.

Die FMLN freut sich über das Großaufgebot: „Jeder Tag, den die Armee im Alarmzustand verbringt, bedeutet Verschleiß und Ermüdung“, kommentierte ein Kontaktmann der Guerilla. Die Armee steht unter Druck, seit der US-Senat die Ausschüttung der Hälfte der Waffenhilfe für das Jahr 1991 an Menschenrechtsauflagen geknüpft hat. Präsident Cristiani war eigens nach Washington gereist, um die Entscheidung mit dem Angebot eines einseitigen Waffenstillstandes noch einmal abzuwenden — allerdings ohne Erfolg. Nun ist die Armee in die Defensive geraten. Deshalb haben Beobachter ihre Zweifel, ob tatsächlich die FMLN für die blutige Attacke vom Dienstag verantwortlich ist. Inzwischen ist ohnehin unsicher, ob die angekündigte FMLN-Großoffensive überhaupt stattfindet.

„Die Kürzung der Waffenhilfe erfüllt uns mit Hoffnung“, sagte Weihbischof Gregorio Rosa Chavez in seiner jüngsten Sonntagsmesse. Bei einem anschließenden Gespräch räumte der Geistliche ein, daß sich die Militärs das Geld durch Kürzungen des Sozialbudgets holen könnten, wie Verteidigungsminister Ponce angedroht hat. Der Effekt sei jedoch in erster Linie ein politischer. Der Armee würde signalisiert, daß die Geldgeber in den USA die grobe Mißachtung der Menschenrechte nicht mehr länger tolerieren wollten.

Immer noch nicht aufgeklärt ist das Massaker an Jesuiten vor einem Jahr. Zwar wurden zu Jahresbeginn ein Oberst, zwei Oberleutnants und sechs Soldaten festgenommen, doch werden die Ermittlungen vom Generalstab systematisch boykottiert. Obwohl die Soldaten längst gestanden haben und Oberst Guillermo Benavides als Auftraggeber belasten, kommt die Untersuchung nicht von der Stelle: Zeugen werden eingeschüchtert oder ins Ausland versetzt und ein Register, das die Namen aller an der Tat Beteiligten enthielt, wurde im höheren Auftrag verbrannt. Der Jesuitenprovinzial José Maria Tojeira wirft außerdem dem US-Geheimdienst CIA vor, wichtige Beweise zurückzuhalten. Die Freigabe dieses Materials, so heißt es dazu in Washington, würde die nationale Sicherheit der USA gefährden. Das heißt nichts anderes, als daß auch Mitglieder des Generalstabs und wahrscheinlich sogar US-Militärberater in das Verbrechen verwickelt sind.

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