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Kreator

■ Kein jugendliches Soziologen-Kanonenfutter

Ausnahmsweise nicht aus dem Rockermekka Hannover, sondern der ländlichen Umgebung Essens kommt die derzeit namhafteste deutsche Metal-Band. Kreator haben von 1985 an kontinuierlich einen Weg eingeschlagen, der sie bis heute durch Ost- und Amiländer mit ständig wachsendem Erfolg geführt hat.

Trashmetal sagt zwar angesichts aller möglichen Auswüchse und Randmutationen auf diesem Sektor wenig mehr über ihren Stil aus als »Rock für Langhaarige«, trifft aber bei Kreator zu wie der Hammer auf den Amboß. Kaum waren Metallica und Anthrax zu Begründern dieses Genres emporgeklommen, prügelten Kreator bereits zielstrebig und beißwütig hinterher, und hielten dort auch weiterhin die Fahne hoch, als die anderen längst als besser rockende Rocker Chartserfolge verbuchten.

Aber Trashmetal ist roh und blutig, dumpf und hart, wild und herzhaft, mit einem Wort, etwas, wo sich junge Männer mit Herz nach dessen Lust richtig austoben können. Ein kurzes Introgitarren-Picking zum Aufwärmen (in leichtem Moll), dann vier gezielte Kantenschläge des Trommlers und ab geht's mit Karacho, Gebrüll und Gefiepse ohne Pardon. Gut, weil kompromißlos. Beim zweiten Song hallt es bereits bleiern in den Gehörgängen nach, gegen Ende eines Konzerts wäre Flüglärm wohl die genauere Bezeichnung des auf der Bühne tobenden Spektakels.

Doch bei den Jungs aus dem Revier blieb es im deutschen Denkerlande nicht allein bei guter Stimmung und intuitiv richtiger politischer Haltung, sei es Naturschutz oder Häuserkampf. Das »Recht auf Öffentlichkeit« schlug bei Kreator besonders schonungslos zu und setzte eine ARD-Dokumentation auf die wehrlosen Jungens an. Was Neubauten für die ZDF-Kulturredaktion, sollten die braven Mosher dort für eine Soziologenabschlußstudie hergeben, jugendliches Rhetorik-Kanonenfutter.

Nur, der Film wurde wurde von den langhaarigen Schlitzohren arg gegen den Strich gebürstet. Ungebändigte proletarische Lebensfreude, Biersaufen mit Mama und Papa vor der Gartenlaube, nettes Beisammensein mit Grillwürstchen und Sangria. Alle Klischees vom unzivilisierten Proll waren auf einmal erzehrlich und besser als Jugendzentrumsbatikkurssozialisation es je den guten Menschen von nebenan hätte besorgen können.

Am Ende sah man ein Konzert, wo eine Menge arbeitsloser Kids am Abend die Sau rausläßt, mosht, headbangt und sich einen Scheiß um die Tips irgendwelcher Sozis schert (»Mach doch das Abi nach, dann geht es Dir besser.«). So ist es eben auf dem Lande. Dafür, da' die 16/17jährigen auch hierzulande mal ein wenig Abwechslung jenseits vom guten Willen altlinker Sozialarbeiter genießen dürfen, sorgen Kreator und Death heute abend. Harald Fricke

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