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Süssmuth bleibt — Lehr geht

■ Kohl sichert Süssmuth Verbleib als Bundestagspräsidentin zu/ Frauenministerin Lehr wirft das Handtuch/ Streit um Niedrigsteuergebiet zwischen FDP und CSU zu Beginn der Koalitionsgespräche

Berlin/Bonn (dpa/ap/taz) — Im Gerangel um Posten und Positionen in der neuen Bundesregierung sind gestern weitere Entscheidungen gefallen. Kanzler Kohl schlug vor der CDU/CSU-Fraktion unter großem Beifall Rita Süssmuths erneute Nominierung als Bundestagspräsidentin vor. Ihr weiteres Verbleiben ist damit gesichert.

Frauenministerin Lehr warf dagegen gestern das Handtuch. Sie erklärte in Bonn, dies habe sie Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) bereits vor geraumer Zeit mitgeteilt. Sie will wieder an ihren Lehrstuhl für Gerontologie an der Universität Heidelberg zurückkehren. Im Bundestag, in den sie erstmals über die Landesliste Hessen gewählt wurde, werde sie sich künftig für die Belange der älteren Generation einsetzen.

Unterdessen teilte der CDU/ CSU-Fraktionsvorsitzende Alfred Dregger dem Vorstand seiner Fraktion mit, daß er mit einer Verkürzung seiner Amtszeit auf ein Jahr einverstanden ist. Die künftige Amtsdauer für die Besetzung der Spitzenpositionen in der CDU/CSU-Fraktion soll in dem neuen Fraktionsvertrag der beiden Unionsparteien festgeschrieben werden, über den die beiden Parteivorsitzenden Helmut Kohl und Theo Waigel noch sprechen müssen. Bisher wurde der Fraktionschef der Union für vier Jahre gewählt.

Dregger gilt schon länger als Abschußkandidat. Ursprünglich war seine Ablösung als Fraktionschef durch den bei einem Attentat schwer verletzten Wolfgang Schäuble vorgesehen. An den gestrigen Beratungen der CDU/CSU-Fraktion nahm auch Schäuble teil.

Steuerdebatte zwischen CSU und FDP verschärft

Starke Gegensätze, aber auch Signale der Kompromißbereitschaft kennzeichneten gestern den Auftakt der Koalitionsverhandlungen in Bonn. CSU-Chef Theo Waigel sprach nach einem ersten Treffen mit dem CDU- Vorsitzenden, Bundeskanzler Helmut Kohl, von einer „Belastung“ der Verhandlungen durch die nahezu ultimative Forderung der FDP nach einem Niedrigsteuergebiet in der ehemaligen DDR. Vor Beginn der Gespräche der Union mit der FDP sagte er aber auch, über verbesserte Investitionsmöglichkeiten in den neuen Bundesländern könne geredet werden. Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) meinte vor der Unionsfraktion unter Hinweis auf den Steuerstreit mit der FDP: „Wenn die Koalition funktionieren soll, dann darf der eine Partner nicht dem anderen zumuten, was er selbst nicht zugemutet haben möchte.“

FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff sagte zur Forderung nach einem Niedrigsteuergebiet, „über Details“ könne man reden. Er bekräftigte aber die Haltung seiner Partei, daß es „die Stimmen der FDP für einen Kanzler erst dann gibt, wenn in der Koalitionsvereinbarung klar ist, daß diese steuerpolitischen Schritte in der früheren DDR getan werden“.

Nach den Worten von Waigel wird es mit der CSU ein generelles Niedrigsteuergebiet in den neuen Bundesländern „jedenfalls in dieser Form“ nicht geben. Der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) haben bereits einhellig die Forderung der Liberaldemokraten nach Einführung eines Niedrigsteuergebietes in Ostdeutschland abgelehnt.

„Ich halte davon überhaupt nichts“, erklärte Kurt Biedenkopf in einem Interview. Eine steuerliche Trennung würde „wieder eine Teilung Deutschlands“ bedeuten und zudem die Gefahr in sich bergen, daß westdeutsche Unternehmen ihren Firmensitz nach Osten verlegten, warnte Biedenkopf. Dann wären nach Ansicht des CDU-Politikers wiederum besondere Steuerregelungen, „ähnlich wie in Steueroasen“, nötig.

Bei dem ersten Spitzengespräch von CDU, FDP und CSU am gestrigen späten Nachmittag sollte es um einen „ersten Arbeitskalender“ (Kohl) für die Verhandlungen und um die Einsetzung von Arbeitsgruppen gehen, die schon am Mittwoch ihre Arbeit aufnehmen sollen. Die Koalitionspartner wollen möglichst schon vor den Weihnachtsfeiertagen ihr Bündnis für weitere vier Jahre erneuern.

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