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AL und Bündnis: Hochzeit oder wilde Ehe?

■ Streit zwischen AL (West) und Bündnis 90 (Ost)/ Ostler beharren auf weitgehender Eigenständigkeit im Abgeordnetenhaus/ AL befürchtet komplizierte Kooperation/ Köppl droht mit Scheidung/ Immerhin: Bündnis 90 gegen Gespräche mit der CDU

Berlin. Zwischen den Fraktionen von AL und Bündnis 90 im neuen Gesamtberliner Abgeordnetenhaus ist es zum Streit gekommen, bevor die Zusammenarbeit überhaupt begonnen hat. Ausgelöst wurde der Knatsch gestern von den Vertretern der Bündnis-Fraktion, die ein in AL- Augen »unheimlich kompliziertes und bürokratisches« Modell einer künftigen Kooperation vorschlugen. Nach ihren Vorstellungen sollen AL und Bündnis getrennte Fraktionen aufrechterhalten, jedoch nach draußen durch einen gemeinsamen Vorstand repräsentiert werden. Bernd Köppl vom AL-Fraktionsvorstand bezeichnete diesen Vorschlag gestern als »nicht realisierbar«. Er provoziere die Notwendigkeit »permanenter interner Konsultationen« und binde unnötige Kräfte, die für die politische Arbeit gebraucht würden.

Sebastian Pflugbeil vom Neuen Forum, der Mitglied der Bündnis- Fraktion ist, räumte ein, daß das Modell zuweilen »lästige« Folgen haben könnte, weil die Fraktionen sowohl getrennt als auch gemeinsam tagen müßten. Es zeige sich aber, »je öfter wir verhandeln«, daß die Bündnis- Abgeordneten Schwierigkeiten mit der eher aggressiven Diskussionsweise der AL hätten. »Wir sind vielleicht ein bißchen empfindlicher«, gab der Ostpolitiker gegenüber der taz zu bedenken.

Darüber hinaus wolle man nicht in die »Katastrophenabrechnung« hineingezogen werden, die in der AL nach dem schlechten Abschneiden bei der Wahl angebrochen sei. In Sachfragen sei man trotzdem »weitgehend« einer Meinung, versicherte Pflugbeil.

Die AL strebt nach wie vor die Bildung einer gemeinsamen Fraktion oder einer Fraktionsgemeinschaft an. Wenn das Bündnis auf seinem Vorschlag beharre, werde die AL »wahrscheinlich« für die Beibehaltung vollständig »getrennter« Fraktionen votieren, drohte Köppl gestern in Richtung Ostkollegen.

Zwischen alle Stühle könnten dann die zwei grünen Abgeordneten in der Bündnis-Fraktion geraten, die mittlerweile formal Mitglieder der AL sind. Auch der Unabhängige Frauen-Verband (UFV), der je eine Parlamentarierin auf der AL- und der Bündnis-Liste unterbringen konnte, bliebe dann gespalten. Dem Vernehmen nach wäre ein Übertritt einzelner Bündnis-Abgeordneter zur AL- Fraktion nicht ausgeschlossen, sollte es bei der Trennung bleiben.

»Wilde Ehe oder Hochzeit« — über diese Alternative soll nach Pflugbeils Worten in der nächsten Woche noch einmal gesprochen werden. Ein von CDU-Chef Eberhard Diepgen angebotenes Gespräch schlug die Bündnis-Fraktion gestern dagegen aus. Indem die CDU ein gleichartiges Treffen mit der AL abgelehnt habe, versuche sie, einen »Keil« zwischen die befreundeten Fraktionen zu treiben, kritisierte das Bündnis in einer Erklärung. hmt

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