KOMMENTAR: Endlager für Atompolitiker
■ Die Hanauer Bevölkerung ist knapp an der Katastrophe vorbei geschrammt
Im hessischen Atomzentrum in Hanau ist im Brennelementewerk der Siemens AG ein Abgaswäscher explodiert. Dabei wurden drei Menschen zum Teil schwer verletzt und radioaktiv verseucht — auch im Westen nichts neues. Der beim Vorgängerunternehmen RBU/ALKEM verseuchte und an Lungenkrebs erkrankte Leiharbeiter Necati Demirci ist da nur ein Beispiel. Die diversen Störfallmeldungen bei den von der Weltfirma Siemens nach dem Transnuklearskandal übernommenen Atomfabriken RBU und ALKEM gehören zum Alltag der Atommanager und Genehmigungsbehörden. Und eine nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl aufgeschreckte Öffentlichkeit hat sich längst wieder an den „kleinen Störfall“ als Normalfall gewöhnt.
In Hanau ist die Bevölkerung in der Nacht zum Mittwoch knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt. Wäre die Explosion heftiger ausgefallen — wäre dabei das Produktionsgebäude zerstört worden —, dann hätte sich der tödliche Uranstaub ungehindert in der Umgebung der Brennelementefabrik niederschlagen können.
Immerhin hat Hessens christdemokratischer Umweltminister Karlheinz Weimar dem Siemens- Brennelementewerk Anfang September den „maximalen Durchsatz“ von 1.350 Tonnen Uran zur Fertigung von Mischoxyd-Brennstäben für europäische Leichtwasserreaktoren genehmigt. Nach Weimars Ansicht ist die neue Brennelementefabrik der Firma Siemens die sicherste Atomfabrik, die bislang auf hessischem Boden genehmigt worden ist.
Seit der Nacht zum Mittwoch dürfte endgültig feststehen, daß es eine sichere Atomfabrik nicht gibt. Falls Weimar die Stirn haben sollte, die inzwischen stillgelegte Brennelementeschmiede demnächst wieder in Betrieb gehen zu lassen, bleibt nur zu hoffen, daß sich nach den Hessenwahlen eine Endlagerstätte für verbrauchte hessische Atompolitiker findet.
Die „abschließende atomrechtliche Genehmigung“ dafür erteilen die Wählerinnen und Wähler am 20. Januar. Klaus-Peter Klingelschmitt
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