UNTERM STRICH

Die Revolution ist gut, nur die Revolutionäre sind es nicht immer“, läßt der deutsche Schriftsteller Hermann Kesten die Hauptfigur in seinem Drama „Babel oder der Weg zur Macht“ gleich am Anfang sinnieren. „Damit war klargestellt, was das Publikum bei der Nürnberger Uraufführung am Freitag abend zu erwarten hatte: ein Lehrstück in Sachen menschlicher Unvollkommenheit und Verderbtheit. Dazu liefern die politischen Umwälzungen in Osteuropa eine atmosphärisch bedrängende Aktualität des Stoffes“, schreibt 'dpa‘. Mit der Erstinszenierung (Regie: Oswald Lipfert) des vor sechzig Jahren entstandenen Stückes ehren die Städtischen Bühnen Nürnbergs Ehrenbürger Hermann Kesten, der im Januar seinen 90. Geburtstag feierte. Als Verräter an der russischen Revolution verdächtigt, sitzt Alexandrowitsch Babel im Kerker und wartet auf seine Hinrichtung. In der absoluten Dunkelheit ist nur der Dialog zweier Todeskandidaten zu hören. Kurz vor der Erschießung wird Babel dann vom Moskauer Stadtkommandanten Anton Boloboff (Waldemar Stutzmann), der noch an die großen Ideen von Freiheit und Wahrheit glaubt, rehabilitiert. Damit beginnt der (kaum) aufhaltbare Aufstieg des Bürovorstehers Babel zum Volkskommissar. Auf dem Weg nach oben leitet den von Jochen Kuhl als dämonischer Bösewicht dargestellten Revolutionär sein fast erotisches Verhältnis zur Macht („Meine Frau ist die Revolution“). In einem nur mit zahllosen Türen und einem roten Flügel ausgestatteten Zimmer (Bühne: Dieter Klaß) fällt der Revolutionär Todesurteile und erteilt Vollstreckungsbefehle — der Blutzoll für die „erhabene Idee des Bolschewismus“. Am Ende wird er als vermeintlicher Verräter erschossen. Das Stück war von den Nazis verboten worden.

Das ursprünglich für Dezember geplante Memmingen-Stück „Haben Sie ein I?“ oder „Der schwere Gang der Zeuginnen von M.“ wird nun erst Anfang Februar in Wiesbaden uraufgeführt. Grund dafür ist die Erkrankung der Schauspielerin, die die Richterin spielen sollte, und die der „schwer ersetzbaren türkischen Schauspielerin Figen Canataly“, heißt es in der Mitteilung des Hessischen Staatstheaters. Die Entscheidung für eine so langfristige Verschiebung „ist uns angesichts der thematischen Brisanz des die Aktualität der bevorstehenden Diskussion um eine Neufassung des Paragraphen 218 suchenden Stücks nicht leichtgefallen“, heißt es in der Mitteilung weiter. Regie führt Florian Felix Weyh.

Mit einem Festakt zur Feier seines 300jährigen Bestehens waren am Sonnabend die Pforten des Staatstheaters Braunschweig erstmals nach rund eineinhalbjährigen Renovierungsarbeiten wieder geöffnet. Für fast 30 Millionen Mark ist das Haus grunderneuert und auf den neuesten technischen Stand gebracht worden. Mit Kussers „Cleopatra“ begann am 4. Februar 1690 die Operngeschichte in Braunschweig. Herzog Anton Ulrich von Braunschweig und Lüneburg hatte den Bau mit finanzieller Unterstützung von Bürgern der Stadt errichten lassen. Auf dieser Bühne wurden Lessings „Emilia Galotti“ (1772) und Goethes „FaustI“ (1829) uraufgeführt.