: Länderchefs fordern Kassensturz
■ Bundesregierung soll Kosten der Einheit berechnen/ Spitzengespräch mit Kohl im Januar
Berlin (ap/dpa/taz) — Die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer verlangten gestern zum Abschluß ihres zweitägigen, streckenweise höchst geselligen Beisammenseins in München von der Bundesregierung einen Kassensturz über die Kosten für den „weiteren Aufbau im Osten“. Gleichzeitig kritisierten sie die „unklaren Perspektiven“ der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Wie der niedersächsische Regierungschef Gerhard Schröder (SPD) mitteilte, werden die Länderchefs am 9. Januar mit Kanzler Kohl über dieses Thema reden.
Nichts als warme Worte hatten die Politiker für den Osten Deutschlands übrig. Die Finanzausstattung der neuen Bundesländer und Berlins finden die Herren nicht nur mickrig, sondern sogar „unzureichend“. Das Ergebnisprotokoll verzeichnet „großes Verständnis“ für die Sorgen des Ostens. Den angeblichen Vorschlag des Baden-Württembergers Lothar Späth an seine westlichen Kollegen, drei Milliarden Mark locker zu machen, sollen insbesondere die SPD- regierten Westländer abgelehnt haben. Man wolle zahlen, habe aber keine Summen genannt oder beschlossen, vermeldet 'dpa‘, weil zunächst die Bonner Finanzangaben konkretisiert werden müßten. Gemeinerweise appellierte Schröder an die Bundesregierung, die anstehenden Gespräche während der Weihnachtspause sorgfältig vorzubereiten. Der SPD-Politiker sprach von „katastrophalen Fehleinschätzungen“ seitens der Bundesregierung und sagte: „Die Zeit des Schwindels ist vorbei.“
Keinen Beschluß faßte die Konferenz zur Neuordnung des Rundfunks in der ehemaligen DDR, obgleich angekündigt. Unklar bleibt auch ein anderes Problem: die Aufnahme sowjetischer Juden in der Bundesrepublik. Zwar einigten sich die Ministerpräsidenten darauf, „eine beachtliche Zahl“ aufzunehmen, brachten damit, so der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Heinz Galinski, „Begriffe wie ,Stop‘ oder ,Quote‘ vom Tisch“, doch eine eindeutige Empfehlung oder gar Verpflichtung für die Bundesländer steht nach wie vor aus. Deshalb steht zu befürchten, daß sich Bayern und Baden-Württemberg weiterhin weigern werden, sowjetische Juden einwandern zu lassen.
Gerhard Schröder indes sagte, es bestehe kein Zweifel an der Bereitschaft aller Länder zur Aufnahme von Juden und er sei bewegt über das Vertrauen der Juden zu Deutschland. Er erklärte, die Länder wollten ein Mehrjahresprogramm zur Einwanderung sowjetischer Juden ausarbeiten. Man sollte keine Zahlen nennen, sondern die Entwicklung abwarten. peb
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