piwik no script img

Der Krieg — Das Grauen — Der Tod

■ StudentInnen installieren Kriegsopfer auf dem Hanseatenhof

Ein Thorax, schmerzgekrümmt, mit aufgerissenem Rücken. Arme und Beine mit der Flex abgetrennt, Köpfe mit abgesplitterter Schädeldecke, blutverschmiert, Gesichter abgeschlagen mit dem Hammer, Bäuche, aus denen Eingeweide quillen.

Kriegsopfer. StudentInnen der Hochschule für Künste (HfK) haben sie so zugerichtet, haben ihre alten Gipsplastiken zerstört: Die Einzelteile, mit Farbe bespritzt, liegen seit gestern Mittag verstreut auf dem Bremer Hanseatenhof.

Dazu die Musik: Bruder Jakob, Bruder Jakob, in moll intoniert von StudentInnen der Abteilung Musik an der HfK, die Posaune simuliert abstürzende Flugzeuge, die Marschtrommel treibt die Soldaten in den Tod, die schrillen Flöten, die Trompeten: Schläfst Du noch? Schläfst du noch? Der Kanon, hörst du nicht die Glocken, schläfst Du noch — hörst du nicht —schläfst du noch — hörst du nicht... Die Moniereisen, die die Modelle gestützt haben: Nackte Knochen, Stumpen im Fleisch.

„Bilder, die das Fernsehen nicht liefert“ haben die StudentInnen ihre Installation genannt. Die Gipsleichen werden eingezäunt, ein schwarzer Vorhang, leicht transparent, verhüllt das Massaker. Auf das schwarze Tuch werden die Umrisse von Fernsehgeräten aufgesprüht: Die Mattscheibe bleibt schwarz, das Grauen erscheint nicht.

Nur wer ganz nah an den schwarzen Zaun herantritt, kann die Opfer sehen, wer nicht genau hinsieht, dem bleibt das Grauen verborgen. Der Golf- Krieg in den Medien. Die zensierten Bilder, die Kriegsopfer, die niemand sehen soll. „Eigentlich müßte das hier stehen, solange in der Welt gemordet wird“, erklärt Rainer Krause, einer der cirka 50 StudentInnen, die sich an der Aktion beteiligen. Wie die Leichen in der Wüste verwesen, so würden auch die künstlichen Körper verwesen, wenn Frost und Feuchtigkeit lange genug am Gips genagt haben.

Die BremerInnen: „Die sollen lieber arbeiten“, „Ein Schweinestall ist schon zuviel, die dürfen einfach alles“, „Die Polizei soll das wegräumen.“ Oder Kopfschütteln: „Ich weiß nicht, was das soll. Man kann ja gar nichts sehen.“

Man sieht nichts.

Aber auch Zustimmung: „Wir sind dabei, zum Alltag zurückzukehren. Quiz im Radio, Spielfilm wie gewohnt. Solche Aktionen zwingen zur Auseinandersetzung.“ mad

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen