: Erfahrungsräume für Mädchenträume
■ Die „Gewitterziegen“ haben ihr Domizil bezogen
Der Stempelverkäufer glotzt die drei Frauen ungläubig an. „Was soll auf dem Stempel stehen, Gewitterziegen? Meine Damen sind Sie sicher? Hmm, und weiter?“ Seine rundliche Hand kritzelt auf ein kleines Stück Papier: „Verein zur Förderung femin...“, hier stockt er erneut und bekommt einen roten Kopf. „Äh, wie schreibt man noch mal feministisch“, verlegen schaut Herr K. in die Runde. „Na ja, man kann ja nicht alles wissen.“ Endlich ist der neue Stempel fertig und der Mädchenarbeit in der Hohentorsheerstraße steht nichts mehr im Wege.
So zumindest sehen es die 15 Frauen, die bei dem Projekt mitwirken werden. Die meisten von ihnen haben langjährige Erfahrung mit Mädchenarbeit in den verschiedenen Jugendeinrichtungen gesammelt. Ihr Resüme: Jungen können ihre Ansprüche recht gut durchsetzen. Die Wünsche und Interessen von Mädchen gehen jedoch meist unter. „Je mehr man sich bemüht, etwas für die Mädchen zu machen, zum Beispiel ein Cafe oder einen Mädchentag in der Woche“, erzählt die Sozialpädagogin Gisela Feldermann, „desto größer werden die Konflikte.“ Ein weiteres Problem: In den bisherigen Jugendförderrichtlinien wird Mädchenarbeit nicht mit einer müden Mark unterstützt. Ausgehend von diesem Mangel haben die „Gewitterziegen“ vor einem Jahr ihren Verein gegründet und sich ein ehrgeiziges Ziel gesteckt. Sie wollen ein Bremer Zentrum für Mädchen ins Leben rufen.
Vorerst sollen die beiden Räume, die für's ernste in der Hohentorsheerstraße gemietet wurden, für Gruppenarbeit und „Informationsbörse“ genutzt werden. „Uns geht es nicht darum, den Mädchen einzureden, daß sie ganz große Defizite haben, sondern wir wollen an ihren Stärken ansetzen“, sagt die Sozialpädagogin Anette Klasing. Die ersten Angebote werden bereits vorbereitet: Ein regelmäßiger Treff zum Thema Sucht, Abhängigkeit und Eßstörungen. Außerdem soll ein Foto-und Nähkurs sowie Kurse, in denen Mädchen sich in Ausdrucksmalerei und dem Herstellen von Plastiken üben können eingerichtet werden.
Die Diplompädagogin Barbara Hamm plant derweil eine wissenschaftliche Bedarfsanalyse. Über Kontakte zu LehrerInnen und anderen Pädagogen in Bremen Süd sowie eine umfangreiche Befragung will sie herausfinden, welche Mädchen mit welchen Interessen hier leben. Danach soll sich die Ausrichtung eines zukünftigen Mädchenzentrums richten. Außerdem soll eine Anlaufstelle für alle Interessierten eingerichtet werden.
Bis vor kurzem arbeiteten die 15 Frauen ausschließlich ehrenamtlich. Inzwischen konnte eine ABM-und eine BSHG-Stelle eingerichtet werden. Die Kosten für die Räume erhalten die „Gewitterziegen“ aus einem Senatssondertopf. Dennoch, ihre Zukunft ist alles andere als gesichert. „Es ist natürlich absolut beschissen, daß die Frauen, die sich hier einklinken, keine gesicherte Zukunft haben“, kommentiert Anette Klasing. „Denn die beiden Stellen laufen ja nur ein Jahr.“ Birgit Ziegenhagen
Die Gewitterziegen treffen sich jeden Dienstag in der Hohentorsheerstraße 56 ab 19.00 Uhr zum Plenum. Bürozeiten sind Montags, Dienstags und Donnerstags von 9.00 bis 12.00 Uhr und Donnerstag von 15.00 bis 18.00 Uhr.
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