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Die 1. Klasse im Intercity läuft teilweise über

■ Der Golfkrieg läßt Geschäftsreisende in Scharen vom Flugzeug auf die Bahn umsteigen/ Buchungsrückgänge auch bei Hotels

Frankfurt/Berlin (ap/dpa/taz) — Es ist weniger die Angst vor Attentaten als vielmehr die verlorengegangene Attraktivität durch langwierige Sicherheitsvorkehrungen, die die Geschäftsreisenden vom Flugzeug zum Zug wechseln läßt. Ein Reisender schildert den Stimmungsumschwung zugunsten des umweltfreundlichen Verkehrsmittels: „Was machst du, wenn dir einer sagt: ,Sie wollen nach München? Seien Sie bitte vier Stunden vor Abflug am Flughafen. Und Ihren tragbaren Computer lassen Sie gleich zu Hause...‘ Du fährst mit der Bahn.“

In den Zügen herrscht drangvolle Enge. „Die 1. Klasse läuft teilweise über“, sagt Bahnsprecher Fridolin Schell. Es gebe einen starken Anstieg bei den Kurzbuchungen auf allen Intercity-Strecken. „Wir versuchen das mit zusätzlichem Wagenmaterial aufzufangen, aber die Reserve ist mehr auf die 2. Klasse ausgelegt“, gesteht er ein. Immerhin sind die Züge nach Schells Worten wieder pünktlicher. Wenn 90 Prozent der Züge weniger als fünf Minuten Verspätung haben, ist die Bahn zufrieden. Vor Weihnachten betrug die Quote nur 60 Prozent.

Fliegen, ganz egal in welche Richtung und zu welchem Zweck, ist in diesen Tagen überhaupt nicht mehr in. Bei der Lufthansa ist das Passagieraufkommen seit Beginn des Golfkriegs um ein Drittel zurückgegangen. In dieser Woche gibt es 60 Lufthansa-Flugpaare weniger täglich im innereuropäischen Verkehr.

Lufthansa-Sprecher Wolfgang Weber behauptet zwar, die Lage an den Flughäfen habe sich wieder normalisiert und bei den Sicherheitsbeamten sei Routine eingekehrt, weil es eben weniger Fahrgäste sind. Doch wer sich an Weihnachten noch einen Sommerurlaub mit Charterflug und Pauschalhotel ausmalte, sagt sich jetzt häufig: Warum nicht mal wieder mit dem Auto in den Schwarzwald? „Auf jeden Fall bucht jetzt kaum jemand einen Flug. Aus Angst vor einem Terroranschlag“, schildert der Chef des Deutschen Reisebüros, Hans Glaser, die Stimmung. Auch Billigangebote könnten da nicht locken: „Angst ist unabhängig vom Preis.“

Bei der skandinavischen Fluggesellschaft SAS steht nach erheblichen Umsatzeinbußen ein Abbau der Belegschaft um zehn Prozent bevor. Damit will das Management rund 800 Millionen Mark einsparen. Als Folge der Golfkrise mußte das Unternehmen auf den gewinnbringenden europäischen Verbindungen Buchungsrückgänge um 20 Prozent verzeichnen. Auch bei der Swissair hat das Buchungsaufkommen je nach Strecke zwischen zehn und 20 Prozent gelitten. Ob Pan Am, Alitalia, Iberia, Olympic Airways, Air France oder KLM: Mindestens um zehn Prozent, bei einigen Gesellschaften gar bis zu 30 Prozent sind die Buchungen für Linienflüge zurückgegangen. Das Management von Griechenlands Olympic Airways hat Lohnerhöhungen in diesem Jahr gestrichen. Der Sprecher von British Airways, Bernd Wietfeld, berichtete, daß die Flugkapazität wegen der Rückgänge um acht Prozent zurückgenommen worden sei, „besonders im Nordatlantik-, Europa- und Berlin-Verkehr“.

Daß weniger Geschäftsleute fliegen, merken auch Hotels und Gaststätten. Umsatzverluste bis zu 60 Prozent haben bereits jetzt die am Frankfurter Flughafen ansässigen gastronomischen Betriebe hinnehmen müssen. Der Geschäftsführer der Frankfurter Hotel- und Gaststättenvereinigung, Hermann Jäger, bezeichnete die Lage dieser Unternehmen am Mittwoch als „katastrophal“. Betroffen seien aber auch die am Flughafen gelegenen Großhotels, sie litten nicht nur unter dem Ausfall der Transitpassagiere, sondern in erster Linie unter dem nur noch spärlich laufenden Tagungsgeschäft. Der Frankfurter Flughafen galt bisher als gesuchte Tagungsstätte und Treffpunkt für die Geschäftswelt aus dem In- und Ausland.

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