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Der König war kein Yankee

■ Sechs Clark-Gable-Filme in der ARD zur Erinnerung an seinen Geburtstag

1931, dem Jahr seines Durchbruchs, verkörperte Clark Gable in fünf von zwölf seiner Filme einen Gangster und etablierte den ersten Negativhelden der Filmgeschichte. Er war Soldat, Trapper, Flieger, Reporter, Abenteuerer und Draufgänger. Aber er war nie ein Yankee. In seiner berühmtesten Rolle als Rhett Buttler in Vom Winde verweht spielte er einen Südstaatler. Galanterie, Lebensfreude, Witz und Gefühlstiefe, die den Männern aus dem Süden zugeschrieben wurden, vereinte er mit traditionellen amerikanischen Tugenden wie Tatkraft, gesunden Menschenverstand und obligatorische Wortkargheit. Widersetzte er sich wie Gary Cooper oder James Steward einmal der Konvention, so nie im Namen einer Sache, der sozialen Gerechtigkeit oder bürgerlicher Freiheit wegen, sondern nur weil es ihm so paßte.

Sein verruchter Charme und seine Manierismen blieben stets unaffektiert. Die harte Tour wirkte authentisch wegen der Komplexe, die ihm der Vater eingeimpft hatte. Zur Zeit Gables galt der Schauspielberuf noch als unmännlich. Sein Vater bekniete ihn vergebens, mit ihm auf den Ölfeldern zu arbeiten. In seiner ersten anspruchsvollen Rolle als Fletcher Christian in Meuterei auf der Bounty (1935) glaubte er, in Zopf und Kniehose lächerlich auszusehen und geriet jedesmal in Panik, wenn die Maskenbildnerin ihm die Nase pudern wollte. Die Homo-Paranoia eskalierte. Auf Geheiß Gables wurde George Cukor bei Vom Winde verweht (1939) durch Victor Fleming ersetzt. Nicht wegen künstlerischer Differenzen. Gable konnte es nicht ertragen, daß Cukor als guter Freund des wegen seiner Homosexualität abgesägten Stummfilmstars William Haines möglicherweise davon wußte, daß Gable mit Haines in den 20ern einige Schwulitäten am laufen hatte, um seine Karriere zu puschen.

1931 ergatterte Gable seine erste kleine Filmrolle. Im B-Western, The Painted Dessert, wo die Schauspieler noch hölzern ihren Text aufsagten, fegte das bellende Stakkato dieses krachledernen Burschen, die nachwirkende, traumartige Entrücktheit des Stummfilms hinweg.

Rasch avancierte Gable zum beliebtesten männlichen Darsteller Amerikas, was unter anderem daran abzulesen war, daß der Absatz an Unterhemden in den Staaten rapide zurückging, weil er in der Frank- Capra-Komödie Es geschah in der Nacht (1934), dem ersten darstellerischen Höhepunkt, der ihm den „Oscar“ brachte, keins anhatte.

Im prüden, zensurbelasteten Hollywood der 30er schmolzen die Damen vor seinem unverschämten Grinsen so schnell dahin, wie es die Schamgrenze erlaubte. „Der König“, wie er nach einem Scherz Spencer Tracys genannt wurde, mimte am besten, wenn er den grimmigen Macho raushängen ließ, der bis zum Abspann ein bißchen Herz herüberwachsen ließ. Die vulgär-erotische Großmacht Jean Harlowe half Gable, das Image des Möchtegern- Gentleman zu prägen, der kurzfristig von zickigen Ladys geblendet wird, sich aber im Grunde nach dem fluchenden Flittchen mit dem goldenen Herzen sehnt. Das Gespann harmonierte so sehr, daß die Drehbücher von Hold Your Man (33), China Seas (35) oder Wife Vs Secretary (36) wirken, als wären sie gegen den Film geschrieben.

Unter Robert Z. Leonards geistesabwesender Regie konnte Gable in Elf Uhr zwanzig Mordalarm (After Office Hours, 1935, dt. Erstauff. am 22. 3.) mit verstecktem Humor die reiche Schicki-Reporterin Constance Bennett an der Nase herumführen, um an eine Titelstory zu kommen. Meistens jedoch mußte er sich in reaktionären Erfolgsschinken wie Possessed (31) gegen das weinerliche Working-girl-Image einer Joan Crawford verausgaben.

Auch Ein toller Bursche, mit dem die ARD die Gable-Reihe heute startet, und Fluchtweg unbekannt, (am 1.4.), sind durchwachsene Bekehrungs-Zeremonien. In Test Pilot (am 8.3.) ist es Myrna Loy, Hollywoods perfekteste Ehefrau, die den verwegenen Piloten auf den sicheren Erdboden zwingt. Dafür stürzte Ehefrau Carole Lombard, die für das Image des strahlenden Liebespaares gesorgt hatte, 1942 mit dem Flugzeug ab, und der gebrochene Clark ging wieder zur Air Force.

Nach dem Krieg zog Major Gable andere Saiten auf. Aus dem Abenteuerer und Draufgänger wurde ein Idealist, der in Der Windhund und die Lady (dt. Erstauff. am 1. 3.) der zwiespältigen Welt einer Werbeagentur abschwört, um der langweiligen Deborah Kerr zu imponieren. Der reformierte Rowdy vermag auch in dem Western Mann gegen Mann (am 15. 2.) nicht mehr recht zu überzeugen. Wenigstens John Huston brachte ihn im 72. und letzten Film The Misfits dazu, nicht unter seinem Können zu spielen. Auf die Frage, warum er den Schurken in Wild at Heart mit Wiliam Defoe besetzt habe, antwortete David Lynch wahrheitsgemäß: „Clarke Gable ist tot. Er starb am 16. 11. 1960, nach den Dreharbeiten zu The Misfits“. Manfred Riepe

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