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„Für Patriotismus statt Patriots“

■ Felicia Langer, israelische Rechtsanwältin, kämpft für die Friedensbewegung

„Es sind schmutzige Ziele der Politik, die jetzt versuchen, die Friedensbewegung zu diskreditieren“, erklärt Felicia Langer ihren ZuhörerInnen in Bremen. Sie hofft, daß diese Kampagne keinen Erfolg hat. „Ich bin stolz, als Israelin in dieser Friedensbewegung meine Meinung äußern zu können“, betont die Frau, die als Rechtsanwältin 23 Jahre lang vor den Militärgerichten in Israel für die Palästinenser in den besetzten Gebieten gestritten hat — allzu oft allerdings ohne Erfolg — oder manchmal erst dann, wenn ihre Klienten bereits tot waren.

Als sie zunächst vor die StudentInnen ihrer Bremer Vorlesungsreihe, später dann in den vollbesetzten Gebetssaal der Zionsgemeinde tritt, ist die 60jährige noch immer euphorisiert von ihrem Auftritt bei der großen Friedensdemonstration in Bonn. Dort hatte sie erneut ihre Lösungsformel der „zwei Völker in zwei Staaten“ propagiert: Einen palästinensischen Staat neben und nicht anstelle von Israel. Dies sei die Plattform, auf der Verhandlungen geführt werden müßten — „und dann stufenweise bis nach Jerusalem.“

Jubel wie auch das betroffene Schweigen der 200.000 zu ihren Worten hatten Felicia Langer in ihrem „Zutrauen in die Menschen und in das menschliche Gewissen“ bestärkt: „Man muß diesen Krieg, diesen geplanten Wahnsinn stoppen.“ Energisch und beschwörend reckt sie ihrem Publikum die Hände entgegen, schwingt sich unablässig auf die Fußspitzen: „Man muß alle Käfte, alle Energie und Mittel dafür einsetzen“, fordert sie, „auch wenn 90 Prozent der Israelis anders denken.“

Felicia Langer weiß, wovon sie spricht, wenn sie die „schrecklichen und unbeschreiblich grausamen Methoden“ israelischer Besatzungspolitik geißelt: Sie kennt das Elend der Flüchtlingslager, das Leben in der Westbank und auf den Golanhöhen, kennt die Willkür, die selbst Achtjährigen ihre Kindheit abspricht und sie wie Erwachsene als angebliche Terroristen hinrichten läßt. Langer referiert die zahllosen Verstöße Israels gegen die Menschenrechte, erzählt von dem Soldaten, der einen jugendlichen Palästinenser auf offener Straße hinterrücks erschoß und der nach langem Ringen doch noch vor Gericht kam: Allerdings nicht wegen Tötung, sondern lediglich wegen „unangebrachten Einsatzes seiner Schußwaffe.“

Wenn Felicia Langer lange vor Beginn der Intifada vor den Militärgerichten für ihre palästinensischen Klienten kämpfte, dann geschah dies oft wegen der „Vergehen“ von Studenten: Schon das Betreten einer Bücherei galt als „Sicherheitsrisiko“. Auch ihre zwei Bücher, in zehn Sprachen übersetzt, sind Palästinensern verbotene Lektüre.

Regelmäßig vor Examensbeginn, so Langer in ihrer Vorlesung, wurden an den drei Universitäten der besetzten Gebiete die Studenten ohne Gerichtsverfahren aus den Prüfungen heraus bis zu sechs Monate lang inhaftiert, und das immer wieder: „Als Palästinenser kann man dem Flüchtlingsdasein nur durch Bildung entkommen. Und genau das versucht unsere Regierung systematisch zu verhindern. Israelis wollen die Palästinenser ungebildet. Sie können sie nur als Wasserträger und Holzfäller managen“, berichtet die Tochter jüdischer Intellektueller, deren Mann fünf KZ's überlebte und mit dem sie 1950 nach Israel übersiedelte.

Seit Kriegsausbruch sammelt die Vizepräsidentin der „Liga für Menschen- und Bürgerrechte in Israel“ jetzt nach ihren Veranstaltungen für ein israelisch-palästinensisches Ärztekomitee, das trotz entsprechenden Verbots in die besetzten Gebiete geht. Denn die über zwei Millionen Menschen in Westjordanland und dem Gazastreifen erhielten bisher keine Gasmasken, sind von Alarm- und Schutzsystemen wie von ihren Arbeitsplätzen und der ärztlichen Versorgung abgeschnitten: auch dies eine Menschenrechtsverletzung, gegen die viel zuwenig protestiert werde: „Die Weltgemeinschaft muß sie retten“, fordert Felicia Langer.

„Wir (unsere Regierungsvertreter) hatten immer und trotz aller Resolutionen, die wir ignorierten — vor und während der Intifada — überall den roten Teppich, wir hatten immer das Recht, alles zu machen“, verkündet die Israelin. Nie habe es Sanktionen gegen Israel gegeben, und das habe Saddam Hussein klar kalkuliert. „Uns hat man damit keinen Dienst erwiesen“, meint sie. Im Gegenteil habe dies die israelische Friedensbewegung geschwächt. Seit 1974 sei das Klima reif für eine Friedenslösung, hätten die Palästinenser die Hand zum Frieden gereicht — „doch anstatt mit ihnen in den Dialog zu treten hat unsere Regierung sie immer wieder in administrative Haft genommen. Und die Welt schweigt.“

Schlußplädoyer der israelischen Anwältin: „Jede Bewegung, die diesen Krieg stoppen will und eine friedliche Lösung im Nahen Osten zum Ziel hat, ist ein Segen für uns, ist das beste, was man für uns tun kann. Wir brauchen Patriotismus und keine Patriots.“ Birgitt Rambalski

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