: „Unsere Feinde führen uns zusammen“
Die antiirakische Position Syriens im Golfkrieg macht Damaskus aus israelischer Sicht für bilaterale Verhandlungen akzeptabel/ Israel versucht weiter, die PLO als politischen Faktor auszuschalten ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Der israelische Luftangriff am Dienstag auf Stützpunkte der Palästinenserorganisation Al Fatah im Südlibanon war der schwerste seit 1985, als sich die israelischen Truppenverbände nach dem Krieg gegen die Palästinenser und ihre Verbündeten zurückgezogen hatten.
Bei dem Angriff wurden zehn Palästinenser getötet und etwa dreißig weitere verletzt. Am Tag zuvor hatte die PLO gemeldet, daß der am 28. Januar vom Fatah-Hauptquartier in Tunis ausgegebene Befehl, die von Israel besetzte südlibanesische „Sicherheitszone“ mit Katjusha-Raketen zu beschießen, rückgängig gemacht worden sei. Heftiges israelisches Artilleriefeuer hatte zu einer Massenflucht der libanesischen Bevölkerung geführt. Die libanesischen Behörden ebenso wie die Führung der Amal-Milizen und die syrische Regierung hatten bei Fatah protestiert, worauf Fatah am Montag nach Auskunft der PLO das Feuer wieder einstellte. Dagegen erklärte der israelische Militärsprecher, in der Nacht zum Mittwoch seien weitere Katjusha-Raketen in der Sicherheitszone eingeschlagen.
Heute sollen libanesische Truppen in den südlichen Teil des Libanons ziehen, der an die von Israel besetzte Sicherheitszone angrenzt. Die palästinensischen Organisationen im Südlibanon, darunter angeblich 3.000 bewaffnete Kämpfer der Fatah, befinden sich nun in einer neuen Zwickmühle. Sie müssen versuchen, mit den unterschiedlichen, bewaffneten und den Palästinensern eher feindlich gesonnenen Militärmächten auszukommen. Tausende von palästinensischen Flüchtlingen in den Lagern und Dörfern im Süden und Westen der Stadt Sidon sind erneut bedroht.
Die Regierung Schamir ist gegenwärtig mit einer Kampagne beschäftigt, die erneut zum Ziel hat, die PLO als politischen Faktor auszuschalten, international zu isolieren und „Arafat zusammen mit Saddam“ zu versenken. Damit will er zugleich der Intifada das Rückgrat brechen. In seiner ersten Rede vor der Knesset seit Kriegsbeginn hat Premierminister Schamir am Montag betont, daß heute „allen klar sein muß, daß Vorstellungen über eine internationale Konferenz, die Saddam Hussein und Arafat so stark befürworten, kein Mittel für eine Regelung“ der israelisch-arabischen Beziehungen darstellen. Mit diesen Vorstellungen wollten die Aggressoren vielmehr ihren Willen durchsetzen. Israel werde sich an einer solchen Konferenz in keiner Weise beteiligen, und alle, die ernsthaft am Frieden und am Wohl Israels interessiert seien, sollten diese Idee von der Tagesordnung streichen. „Über die PLO braucht man keine weiteren Worte zu verlieren. Arafat und seinesgleichen sind die stärksten Stützen des Killers von Bagdad. Es ist nun an der Zeit, daß die internationale Gemeinschaft und die zivilisierte Welt diese Terrororganisation [die PLO] und seine Führer ignorieren“, sagte Schamir.
In Israel wird jetzt häufig betont, daß es gemeinsame Interessen mit Syrien gebe, die zum Teil auch den Libanon und die PLO berührten. Bei seinem geplanten Washington-Besuch will der Premier mit den Amerikanern über eventuelle Abkommen mit Syrien reden, die bereits jetzt mit Blick auf mögliche Nachkriegsverhandlungen vorbereitet werden sollen. In seiner Knesset-Rede wiederholte Schamir, daß Israels „Friedensinitiative 89“ weiterhin Gültigkeit habe. Allerdings definierte er sie jetzt als „ein Mittel zur Grundsteinlegung friedlicher Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Ländern, die zu einem Arrangement bezüglich des Status der israelischen Araber [gemeint sind die Palästinenser der besetzten Gebiete] führen wird“.
Schamir will im kommenden Monat nach Kanada und in die USA reisen. Aus amerikanischen wie israelischen Außenamtskreisen wird bekannt, daß es in Washington jetzt „Verständnis“ für Schamirs Absicht gibt, zuerst über die Beseitigung des Kriegszustandes zwischen Israel und den arabischen Staaten zu verhandeln, aber — anders als noch im Rahmen der Friedensinitiative von 1989 — keine Verhandlungen mit Vertretern der Palästinenser vorzusehen.
Da mit Ägypten sowieso ein Friedensabkommen besteht, wäre Syrien wohl als nächster arabischer „Staat von Bedeutung“ an der Reihe. Dies um so mehr, als die Verhandlungen, die jetzt mit Hilfe Washingtons geführt werden könnten, auch die Beziehungen zum Libanon mit einschließen. Syrien hat seit mindestens zwei Jahren alle Aspirationen aufgegeben, Israel militärisch zu überholen. Die neue syrische Politik, auch im Rahmen der Umorientierung auf Washington und Kairo, ist Israel gegenüber immer pragmatischer, heißt es in Jerusalem. Eine gemeinsame Front gegen den Irak hat sich in den letzten Monaten auch mit Saudi-Arabien entwickelt, die „in die Nachkriegsepoche hineinwachsen soll“, sagte hier ein Regierungsbeamter. „Unsere gemeinsamen Feinde Saddam und Arafat führen uns enger zusammen.“ Gleichzeitig wird nichts unversucht gelassen, die PLO zu desavouieren und sie als ohnmächtigen Bittsteller antechambrieren zu lassen, obwohl es Befürchtungen gibt, daß die arabischen Alliierten nach dem Krieg ihre Forderungen an Washington stellen werden, um den Rückzug Israels aus allen besetzten Gebieten zu erreichen. Dann wird die Idee der internationalen Konferenz wieder auftauchen. Israel wird also möglicherweise versuchen, dieser „Gefahr“ mit direkten Initiativen aus dem Weg zu gehen, wobei auch die bestehenden Beziehungen mit Kairo gute Dienste leisten können. Ohne die PLO sollen Verhandlungen über den zukünftigen „Status der Araber von Eretz Israel“ mit ansässigen Notabeln geführt werden, die bereit sind, im Kielwasser Israels zu schwimmen und auf einen eigenen Staat zu verzichten. Zur Hilfe käme einer solchen Lösung dann der alte Plan der Arbeiterpartei, der den territorialen Status quo am Westufer im großen und ganzen aufrechterhält und eine „funktionelle Beteiligung“ Jordaniens an der Überwachung und Administration vorsieht. Dabei sollen die Palästinenser am Westufer die jordanische Staatsbürgerschaft behalten, während sie praktisch auf von Israel beherrschtem Gebiet leben. Die Verhandlungen mit Palästinensern haben jedoch in den gegenwärtigen israelischen Plänen nur nachrangige Bedeutung: In erster Linie geht es darum, bilaterale direkte Verhandlungen mit arabischen Regierungen einzuleiten.
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