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Deutsche Soldaten im nächsten Krieg?

Trotz aller scheinbaren Einigkeit über eine Verfassungsänderung steht der Bonner Parteienstreit darüber, wie deutsche Soldaten künftig weltweit eingesetzt werden dürfen/ Einsatz auch außerhalb der UNO-Befehlsstruktur umstritten  ■ Aus Bonn Ferdos Forudastan

Hans-Dietrich Genscher wußte, wovor er warnte. Als der Außenminister jüngst von „überstürzten Entscheidungen“ in der Frage abriet, ob deutsche Soldaten bald weltweit kämpfen dürfen, da zeichnte sich schon ab: Die Diskussion über eine Grundgesetzänderung wird heftig; führen müssen sie CDU/CSU und FDP wie Regierung und SPD-Opposition; doch sie hat noch nicht einmal richtig begonnen.

Auf den ersten Blick sind sich die Beteiligten einig. Anders als noch im vergangenen Sommer verbreiten CDU-Minister und das Bonner Kanzleramt nicht mehr, der Einsatz deutscher Soldaten im Golf sei denkbar, weil heute schon verfassungsrechtlich möglich. Helmut Kohl, (CDU), Hans-Dietrich Genscher (FDP) und CSU-Landesgruppenchef Wolfgang Bötsch wiederholen seit Monaten einig: Um zukünftig Bundeswehr im Rahmen der UNO einzusetzen, müsse das Grundgesetz geändert werden. Die Frage einer solchen Grundgesetzänderung „positiv“ zu prüfen, hatte der SPD- Kanzlerkandidat Lafontaine bereits im vergangenen August versprochen. Recht wahrscheinlich ist somit, daß die nötigen zwei Drittel aller Bundestagsabgeordneten für eine Grundgesetzänderung stimmen würden. Unklar ist allerdings für welche.

Mit am weitesten hat sich bisher der ehemalige Kanzlerberater Horst Teltschik vorgewagt. Man müsse das Grundgesetz so „ergänzen“, daß Bundeswehrsoldaten nicht nur im Rahmen von UNO-Einsätzen kämpfen dürften. Dies befand der damalige Kanzlerberater vor einigen Monaten. Dies befinden — hinter vorgehaltener Hand — auch Regierungskreise. Es solle der Bundesregierung ermöglicht werden, im jeweiligen Konflikt oder Krieg „souverän“ zu entscheiden, ob sie militärisch eingreift, heißt es aus der Umgebung des Verteidigungsminsters.

Offizielle Lesart ist dies zwar nicht: So verlangte etwa Helmut Kohl in seiner letzten Regierungserklärung, um das Engagement im Bereich der UNO zu stärken, müßten die Deutschen ihre Verfassung ändern. Und auch CSU-Landesgruppenchef Bötsch führt stets UNO- Missionen im Mund, wenn er von einer Verfassungsänderung spricht. Allerdings: Der Zusammenhang, in den diese beiden Politiker das Thema stellen, macht deutlich, daß sie mehr wollen. Kohl, Bötsch und andere Unionisten verbinden ihre Forderung nach einem veränderten Grundgesetz mit dem Krieg am Golf. Dieser Krieg ist allerdings keine UNO- Mission. Er steht nicht unter dem Kommando eines UNO-Befehlshabers. Den Krieg führt die US-Armee zusammen mit anderen Armeen. Würden deutsche Soldaten mitkämpfen, stünden sie ebenfalls unter US- amerikanischem Oberkommando.

Etwas ganz anderes allerdings will die Mehrheit der FDP: eine Grundgesetzänderung, nach der ausgeschlossen ist, daß deutsche Soldaten in einem Krieg kämpfen, der kein UNO-Krieg ist. Zwar gibt es hierzu noch keinen Beschluß der Liberalen, und kein führender Freidemokrat hat sich bisher öffentlich festgelegt. Zwar hält sich Genscher zurück: „Nur unter dem Dach und autorisiert durch die Vereinten Nationen“, erklärte der Außenminister. In seiner Umgebung heißt es, es werde sowieso keinen Krieg wie diesen mehr geben, über den nicht die UNO das Kommando hat. Darum könne der Minister darauf verzichten festzulegen, wie er das Grundgesetz nun genau geändert haben möchte. Zwar werden schließlich nur wenige Liberale so deutlich, wie Werner Hoyer: Der verteidigungpolitische Sprecher plädiert dafür, lediglich den Einsatz in UNO-Missionen zu erlauben, „und das hieße, ein Einsatz im vorliegenden Fall wäre nicht mehr gedeckt.“ Die Wortwahl Genschers zeigt, daß die FDP-Spitze nicht so will, wie CDU/CSU gern wollen.

In den Streit mit ihren Koalitionspartnern können die Liberalen freilich selbstbewußt gehen. Daß die — für eine Grundgesetzänderung notwenigen — SozialdemokratInnen Partei der UnionistInnen ergreifen, ist wenig wahrscheinlich. Offiziell steht sogar noch ihr erst wenige Jahre alter Beschluß, das Grundgesetz solle einen Bundeswehreinsatz außerhalb der NATO nicht gestatten. In einem Punkt treffen sich fast alle, die dafür sind, die Verfassung wie auch immer zu ändern: Es soll nicht rasch geschehen, schon gar nicht, solange der Krieg andauert. Warum, begründet ein Koalitionär so: Erstens wolle man öffentlich nicht darüber diskutieren, ob es sinnvoll sei, deutsche Soldaten durch eine Grundgesetzänderung in den Golfkrieg zu schicken. Zweitens müßte sich erst einmal die SPD auf ihrem Parteitag im Mai darauf festlegen, daß sie nun für eine Änderung ist. Drittens ließen die Sozialdemokraten doch viel eher mit sich reden, wenn man ihnen bei einer späteren, umfassenden Verfassungsiskussion für ihre Zustimmung zum weltweiten Bundeswehreinsatz verspräche, was sie sich schon lange ins Grundgesetz wünschten: Das Recht auf eine Wohnung etwa, oder Arbeit oder „undsoweiter“...

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