: "Ich kann keinem Araber trauen"
Rebekka Voliza wurde in Österreich geboren, lebte ab 1949 in Israel, kam vor 13 Jahren nach Deutschland und ist seit sechs Jahren Bremerin. Elvira Noa gehört dem Vorstand der Israelitischen Gemeinde in Bremen an. Der erste Teil dieses Gesprächs erschien gestern an gleicher Stelle.
taz: Sie halten diesen Krieg für unvermeidbar?
Rebekka Voliza: Ja, aber bei uns hat niemand auf dem Dach getanzt, als die Amerikaner den Irak bombardiert haben. Aber in den besetzten Gebieten haben die sogenannten armen Palästinenser auf den Dächern getanzt, als die Alarmsirenen losgegangen sind und haben geschrien: Allah ist groß! Wenn sowas in einem arabischen Land passiert wäre, die wären alle im Gefängnis gelandet — in Israel nicht.
In Israel gibt es die Ausgangssperre...
Rebekka Voliza: Ja, wir können es uns nicht leisten, daß sie jetzt nicht nur auf den Dächern tanzen, sondern auch Steine werfen und versuchen, jemanden zu töten. Die haben Ausgangssperre, aber wir haben uns selbst auch Ausgangssperre gemacht: Um 17 Uhr sind alle zu Hause. Wir sind drei Tage nicht vor die Tür gegangen. Diese Ausgangssperre hat uns der Irak verordnet, und niemand hat etwas gesagt.
Die Palästinenser tun mir leid, aber warum haben sie bis jetzt nichts gemacht, um sich besser mit uns zu stellen. Sobald einer mit Israel Frieden schließen wollte — oder überhaupt nur mit uns reden —, wurde er getötet. Hier hört man davon nicht, aber so geht es die ganze Zeit.
Und ein israelischer Politiker, der mit der PLO reden will, fliegt aus der Regierung...
Elvira Noa: Aber er wird nicht getötet.
Rebekka Voliza: Er wird vielleicht vor Gericht gestellt oder verliert seine Immunität. Das geht meiner Meinung sogar noch zu demokratisch.
Elvira Noa: Es geht ja auch darum, daß die PLO offiziell noch nicht zurückgenommen hat, daß sie Israel vernichten will. Das palästinensische Manifest wurde ja vor dem 6-Tage-Krieg aufgestellt, da gehörten die besetzten Gebiete noch gar nicht zu Israel. Das war Jordanien, also waren die Palästinenser von Jordanien und anderen arabischen Ländern unterdrückt. Aber in dem Manifest steht in einem Paragraphen explizit und in vielen Paragraphen hintergründig: Sie wollen Israel beseitigen, wir sollen hier nicht leben.
Man hat das im Lauf der Zeit ein bißchen relativiert. Aber heute ist Arafats Kehrtwendung wieder ganz eindeutig: Schulterschluß mit Saddam Hussein. Und dann ist es verständlich, daß israelische Politiker, die ja für die Existenz ihres Staates sorgen sollten, nicht mit solchen Leuten verhandeln können. Ich würde mich auch nicht hinsetzen und mit jemand verhandeln, der sagt: Eigentlich will ich dich umbringen.
Den Krieg führen jetzt die USA. Fühlen Sie sich durch deren Eingreifen eher geschützt oder bedroht?
Rebekka Voliza: Ich sehe die USA nicht so negativ. Die USA waren immer ein Freund Israels. Man konnte sich auf sie verlassen. Wir haben nicht das Geld, uns alleine zu verteidigen.
Ich kann auch die Araber verstehen: Ihr Stolz ist verletzt. Und wenn man die ganze Geschichte des Nahen Ostens ansieht, dann waren die Franzosen, die Engländer und die Amerikaner da und haben geherrscht. Die Araber hassen sie deshalb. Die Araber haben sehr viel Stolz. Bei denen ist das so. Und ihr Stolz ist die ganze Zeit durch die Israelis verletzt worden. Die Israelis haben sich nicht töten lassen. Wir wollen leben. Das ist unsere kriminelle Tat: Wir wollen leben.
Die Araber haben immer wieder diese Schläge gekriegt. Statt daraus zu lernen — so wie Anwar El Sadat es gemacht hat — und mit uns Frieden zu schließen, haben sie weitergemacht.
Elvira Noa: Und nach dem Frieden mit Ägypten hat Israel die besetzten Gebiete zurückgegeben. Das ist kein Problem.
Rebekka Voliza: Leider kann ich Arabern nicht glauben. Das ist furchtbar zu sagen. Es ist schwer, wenn man jemandem nicht trauen kann, aber ich kann keinem Araber trauen.
Trotz Ausgangssperre ist vor ein paar Tagen ein Araber aus den besetzten Gebieten im Bus aus Haifa nach Nazareth gefahren. Im Bus saß ein Reservist, da hat er ein Messer genommen und ihn einfach erstochen. Wir sind nicht so schlecht. Wir sind viel menschlicher, als das hier aussieht.
Wie geht es Ihnen, wenn Sie die Bremer Friedensdemonstrationen sehen?
Rebekka Voliza: Ich finde, das ist ein Mangel an Information. Die Friedensbewegung ist an und für sich sehr schön. Aber jetzt ist das eine Art von Fanatismus. Das Wort Frieden ist ein tolles Wort, aber man muß die Tatsachen auch sehen. Ich würde auch für Frieden demonstrieren, aber nicht so.
Warum nicht?
Rebekka Voliza: Mit „Kein Blut für Öl“ hätte man vor der irakischen Botschaft stehen müssen.
So ist es doch auch gemeint: Gegen den irakischen Überfall auf Kuwait und gegen den Angriff der USA auf den Irak.
Rebekka Voliza: Aber man muß sehen, wer der Erste war. Da hätte man am 2. August anfangen müssen zu demonstrieren und nicht am 17. Januar. So haben die ganzen Leute unbewußt ganz viel für Saddam Hussein gemacht. Er hat an den ganzen Demonstrationen politisch verdient. Ich denke, das ist Ausbeutung des schönen Wortes Frieden.
Elvira Noa: Die Iraker haben Kuwait überfallen. Das war ganz eindeutig ein Kriegsverbrechen. Es ging um Öl, um Geld, um wirtschaftliche Interessen. Auch die Amerikaner haben dort wirtschaftliche Interessen. In vielen Teilen der Welt ist es zu Völker- Auslöschungen gekommen, als größere Länder kleinere überfallen haben, und keiner hat eingegriffen. Dann sagt man: Die Amerikaner sollen sich nicht als Weltpolizisten aufspielen. Die Iraker haben die Kurden ausgelöscht, und keiner hat demonstriert...
Keiner nicht, aber wenige...
Elvira Noa: Ja, ich gehörte auch dazu. Aber es gab nicht diese Massenbewegung. Natürlich bin ich dagegen, daß irgendwelche Staaten sich in andere einmischen, aber in dem Fall kann ich nur sagen: gottseidank.
Die Clique Saddam Husseins zerstört sein eigenes Volk. Er hätte immer weiter aufgerüstet, und da bin ich egoistisch genug und sage: Gottseidank gibt es jetzt diesen Krieg; gottseidank haben die Amerikaner ihre schmutzigen Interessen am Öl. Sonst wäre es noch schlimmer geworden.
Fragen: Dirk Asendorpf
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