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Müll und Demokratie

■ Der Volksentscheid für eine neue Müllpolitik weist über Bayerns Grenzen hinaus

In Bayern gehen die Uhren anders“ — diese vielstrapazierte Spruchweisheit wird normalerweise dann hervorgekramt, wenn es reaktionär zugeht im Freistaat mit CSU-Demokratur. Am Sonntag freilich werden die bayerischen WählerInnen als erste im Lande selbst über den künftigen Umgang mit ihrem Müll entscheiden können. Ein demokratischer Lichtblick, der sich erfreulich abhebt von der herrschenden Politik der herrschenden Mehrheit.

Die Wende hin zu Müllvermeidung und weg von der angeblich unvermeidlichen Müllverbrennung wäre ein Signal weit über die bayerischen Grenzen hinaus. Schon kommt Lob für das Müllkonzept der engagierten Bürgeraktion aus dem fernen Brüssel. Der Deutsche Naturschutzring setzt noch eins drauf: Die „weltweite Koalition der Umweltschützer“ hoffe auf die aufrechten bayerischen Kämpfer gegen die wachsenden Müllberge. Die „globale umweltpolitische Bedeutung“ könne gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Daß ihr Konzept keineswegs hirnrissig und weltfremd ist, wie die CSU die Bevölkerung gern glauben machen möchte, beweisen nicht zuletzt bereits existierende „Müllversuche“ in bayerischen Landkreisen. Im oberbayerischen Landsberg wird seit fast einem Jahr ausprobiert, was die Bürgeraktion für das Land vorschlägt. Die Bürger machen fleißig mit, die Abfallkurve zeigt nach unten.

Wie zu Hochzeiten des Widerstands gegen die „Oberpfälzer Atommüllfabrik“ versucht die Staatsregierung auch jetzt, die Müll-Bürgeraktion mit allen Mitteln zu zermürben. Ob aufwendige Zeitungskampagnen oder Einschüchterung der kritischen Ärzteschaft, alles erinnert peinlich an die Diffamierungspolitik von damals. Auch die wenig rühmliche Rolle der bayerischen SPD, die erst kurz vor den Landtagswahlen und nach dem erfolgreichen Volksbegehren den Sprung auf den „Antimüllzug“ schaffte, ähnelt fatal der Taktiererei dieser Partei in den Anfangszeiten des Bürgerwiderstands gegen die Wiederaufarbeitungsanlage. Verläßlich auf seiten der aufgebrachten Bürger standen wieder mal nur die Grünen.

Wie beim ersten Akt dieses Schauspiels, dem erfolgreichen Volksbegehren im vergangenen Sommer, könnte die CSU mit ihrer Sturheit auch diesmal baden gehen. Das wäre ausgesprochen unangenehm. Denn auch die Regierungspartei weiß, daß dieser Volksentscheid mehr ist als ein „Müllentscheid“. Er ist ein Lehrstück in direkter Demokratie. Zwar haben Volksentscheide und Volksbegehren in Bayern Tradition, trotzdem steht das Land vor einer Premiere: Zum erstenmal wird über ein Gesetz abgestimmt, das nicht von Ministerialbeamten und Parteipolitikern, sondern von den Bürgern selbst ausgetüftelt wurde. Luitgart Koch

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