: Einträchtige Milchbübchenrechnung
■ Die Abteilung Eishockey der Frankfurter Eintracht steht kurz vor der Auflösung: Fans jammern und wehklagen vor allem über den Weggang von Liebling und Torschützenkönig Jiri Lalas
Frankfurt (taz) — Der tschechoslowakische Topstar im Trikot der Frankfurter Eintracht — Abteilung Eishockey — drehte am Sonntag noch eine Pirouette auf dem Eis, reckte die rechte Faust in die Luft und riß die Fans auf den Rängen noch einmal zu Beifallsstürmen hin. Die Eintracht hatte gerade mit 1:7 Toren ihr zweites Play-off-Spiel gegen die Suppenkönige aus Düsseldorf verloren und sich ganz nebenbei wohl endgültig als erstklassige Mannschaft vom heimischen Publikum verabschiedet.
Jiri Lalas gekonnter Abgang aus der schönsten Eishockey-Arena der Republik löste beim fachkundigen Anhang in Frankfurt manisch-depressive Gefühlswallungen aus: Sie haben ihn geliebt, den Torschützenkönig der Liga — und sie weinen ihm, der den Verein wechseln wird, alle Tränen nach, die Sportfans zu vergießen haben.
Und sie hassen die Vereinsführung um Abteilungsleiter Walter Langela, der die zu Saisonbeginn so brillant aufspielende Eintracht ins ökonomische Chaos und letztendlich wohl in das Amateurlager „geführt“ hat. Einen Jiri Lala oder einen Roger Nicholas hält in Frankfurt nichts mehr — und schon gar nicht die dürftigen finanziellen Angebote, die vor dem Hintergrund der katastrophalen finanziellen Lage des Vereins in der kommenden Saison zu erwarten sind. Das Team bricht auseinander. Torwart Fous wechselt zum ECD Iserlohn, Ralph Pöbel geht als Senior nach Bad Nauheim aufs Altenteil und Kapitän Nicholas liegen Angebote aus nahezu allen Bundeligaclubs vor — die freie Auswahl. Jiri Lala und Jaroslav Mucha werden gleichfalls heftig umworben.
Der Offenbarungseid des Vorstandes hat eine Mannschaft aus dem Rennen geworfen, die zu Saisonbeginn als eine der stärksten der Liga galt. Nicht umsonst führte die Eintracht wochenlang die Tabelle an, zog den Kölnern zu Hause die Gräten aus der Haifischhaut und schickte Düsseldorf und Rosenheim mit saftigen Packungen nach Hause. Zur Saisonmitte kam dann der große finanzielle Absturz, dem der sportliche auf der Kufe folgte: Das Präsidium der Eintracht verwarf den von der Eishockeyabteilung aufgestellten Haushaltsplan für die Saison 1991/92 wegen fehlender Finanzierungsmöglichkeiten.
Doch auch der unter Ausnutzung aller Ressourcen und nach einem Bettelgang zu potentiellen Sponsoren unter der Ägide des Präsidiums neu aufgestellte Haushalt für die Saison wartete noch mit einer Unterdeckung von 2,5 Mio. DM auf — aus die Maus. Noch einmal gingen Langela und Eintracht-Präsident Ohms mit dem Bettelstab durchs Rhein-Main- Gebiet. Doch am Ende aller Bemühungen klaffte im Haushalt noch immer ein Loch von 1,3 Mio. DM. Wenn sich Präsidium und Verwaltungsrat des Vereins nicht selbst diskreditieren wollen, muß die Entscheidung für die Auflösung der Profiabteilung Eishockey der Eintracht fallen. Die beiden höchsten Vereinsgremien hatten nämlich — angesichts der finanziellen Misere auch in der Abteilung Profifußball — mit 10:0 Stimmen beschlossen, der Eishockeyabteilung pro Saison nur noch einen maximalen Verlust von 250.000 DM zu genehmigen.
In der Eissporthalle am Ratsweg werden deshalb demnächst zweitklassige Recken das Schlagholz schwingen, denn eine Profimannschaft von der Qualität des noch für ein Auswärtsspiel real existierenden Teams kostet rund sechs Millionen D-Mark pro Saison. Doch der Weg ins Amateurlager oder in die zweite Liga könnte eine „Milchbübchenrechung“ werden. Die Eishockey- Fans in Frankfurt sind von Lala, Nicholas und Company verwöhnt worden. Mit technisch unterbelichteten „Müllers und Meiers“ wird dieses Publikum auf Dauer nicht zu halten sein. Die gesamte Abteilung Eishockey der Frankfurter Eintracht, deren Cracks dann — logischerweise — nicht einmal mehr aufsteigen dürfen, wird sich peu à peu auflösen.
Doch Wunder soll es angeblich immer wieder geben. Bei der Eintracht träumen die Vereinsbosse von dem Mäzen, der die Abteilung Eishockey mit knappen zwei Millionen Deutschmark im Bundesligageschäft hält. Doch der spukt bislang nur als Hirngespinst durch die Köpfe von Langela, Ohms und Hölzenbein. Vielleicht sollte die Abteilung Fußball endlich Andy Möller nach Italien verkaufen — und mit den Milliönchen dann die gestandenen Sportler Jiri Lala und Roger Nicholas in der Eissporthalle auf dem Dippemeßgelände halten.
Das jedenfalls wünscht sich
Klaus-Peter Klingelschmitt
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