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„Es gibt auch andere Stimmen in Israel“

Rabbi Jeremy Milgrom, Direktor der Organisation 'Kirchenleute für den Frieden‘, war einer der wenigen aus den israelischen Friedensgruppen, der sich mit der Grünen- Delegation in Jerusalem traf.

taz: Was halten Sie von den Ströbele-Äußerungen, die in Israel einen Sturm der Empörung ausgelöst haben?

Jeremy Milgrom: Den Grünen wird hier vorgeworfen, daß sie sich nicht genug mit dem amerikanischen Standpunkt identifizieren. Das macht sie suspekt, denn Israel betrachtet Amerika als den Retter. Den Grünen wird auch übelgenommen, daß sie für die PLO waren oder sind. Wer nicht nach Israel kommt, um Waffen anzubieten, wer keine ,Hardware‘ mitbringt, wer statt dessen die israelische Politik kritisiert, der wird schief angesehen. Das ist eine Schande, aber so sind die Dinge nun mal.

Wie stehen Sie zum Boykott der Grünen-Delegation durch die israelischen Parteien und Friedensorganisationen?

Ich weiß nicht, inwieweit heute von einer israelischen Friedensbewegung die Rede sein kann. Die meisten bekannteren Organisationen — wie etwa ,Peace Now‘ — versuchen offensichtlich, sich dem ,Establishment‘ anzubiedern. Ich respektiere viele ihrer Anhänger, aber es ist schmerzlich anzusehen, wie sie jetzt praktisch für den Krieg eintreten. Die Grünen-Delegation vertrat hier die Position einer winzigen Minderheit, die dem Krieg ein Ende setzen möchte.

Wie hätte sich die Grünen-Delegation verhalten sollen?

Wenn andere Teile der Friedensbewegung nicht mit ihnen reden wollten, hätten sie sich mit den paar hundert Menschen — Juden und Arabern — treffen sollen, die sich trauen, eine nicht-militärische Lösung zu befürworten. Sie hätten auch mit den Plästinensern reden müssen, die eine friedliche Lösung wollen. Die Grünen hätten wissen müssen, daß es hier auch andere Stimmen gibt, die sich nicht an das ,Establishment‘ anpassen.

Ich glaube, daß Ronald Reagan Israels größter Feind war, indem er alles tat, um die Friedenspläne zu durchkreuzen und Israel zu bewaffnen. Die Grünen müssen dagegen eintreten, daß Bonn eine ähnliche Rolle übernimmt. Deutschlands Verantwortung ist viel, viel größer, als Israel mit Waffen auszustatten. Es muß vor allem dazu beitragen, daß es zu einem wirklich israelisch-palästinensischen Frieden kommt. Das mag unpopulär klingen, und viele Juden werden dagegen protestieren. Aber um Israel wirklich zu helfen, muß ein echter Frieden gefordert werden. Interview: Amos Wollin

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