Fundamentaler Anachronismus

■ Alternative Kernspaltung in Hamburg: Die Fundis kehren den Grünen den Rücken KOMMENTARE

Endlich ist auseinander, was nicht zusammengehört: Die Fundamentalisten haben die Hamburger Grün-Alternative Liste (GAL) verlassen, sie räumten damit den grünen Realpolitikern das Feld. Die GAL wird damit zum „profanen grünen Landesverband“. Die GAL-Mitbegründerin und Fundamentalistin Christina Kukielka, die jetzt das Handtuch warf, hatte es bereits 1978 als schlagkräftige Faust der grün-alternativen Bewegung zu parlamentarischen Weihen gebracht. Seither bestimmte fundamentalistisches Denken die GAL.

Bis heute glauben die Fundis, den Kampf gegen das System nur mit strammem Bewußtsein und konsequenter Verweigerung führen zu können. Unhinterfragt sah man sich als ewig authentische Vertreterin imaginierter basiskämpferischer, nichtangepaßter, täglich Widerstand leistender Menschen. Ein Ziel, eine Utopie gab es nicht mehr. Der alte Glaube an die Revolution als Mutter einer neuen Welt war perdu. Statt dessen berief und beruft man sich in erstarrtem Ritual auf jede als Systemopposition (miß-) zu verstehende Aktion und Lebensform. Das reicht von der scherbenreichen Spontandemonstration bis zum Campieren im Müll eines besetzten Hauses.

Aber sind Steine in Bankenschaufenster schon eine neue Welt? Ist die Lebensform in den Häusern der Hafenstraße ein Modell ökologisch-emanzipierten Wohnens oder nicht viel eher der verzweifelte Reflex ausgegrenzter junger Menschen auf Mietenexplosion und die drohende Öde eines angepaßten Sozialwohnungslebens mit Maloche und Mallorca? Nein, eine radikale systemoppositionelle Basis gibt es nicht. Sie ist eine ideologische Fata Morgana, die eigentlich spätestens dann hätte verfliegen müssen, als diese radikale Basis am Samstag nicht zur GAL-Mitgliederversammlung kam, um ihre Fundis gegen den Realo-Durchmarsch zu schützen.

Nein, die Hafenstraße gibt längst 'Spiegel‘-Interviews, Bürgermeister und Bischof verdammen in Hamburg den Golfkrieg, die Briten beschimpfen Helmut Kohl als Pazifisten — die Fundis haben den Kontakt zur realen Welt verloren. Sie leben noch immer im Zeitalter linker Orthodoxie, in jener Ära, die durch die Nachwirkungen des Ölpreisschocks von 1974 gekennzeichnet war, die es der GAL damals ermöglichte, Erfolge aus der Opposition heraus zu erzielen.

Heute, wo Abrüstung greifbar, ein neuer Wachstumsrausch spürbar und die ökologische Katastrophe immer vorstellbarer wird, ist aktives Mitregieren erforderlich, reichen Steine, Demos und Parlamentsreden nicht mehr aus.

Die ideologische Konsequenz der Hamburger Fundis hat aber auch eine positive Seite. Sie verzichteten darauf, ihre parteiinterne Niederlage auszusitzen, um die GAL eines Tages wieder zu übernehmen. Wenn die ausgetretenen Fundamentalisten nun versuchen, mit einer eigenen Alternativen Liste bei den im Juni anstehenden Bürgerschaftswahlen zu kandidieren, so ist das der saubere Weg, sich auf die (vergebliche) Suche nach der eigenen Basis zu begeben.

Florian Marten