piwik no script img

Frieden bringt Israel neue Einwanderer

Für viele sowjetische Juden ist Israel nur Durchgangsstation  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Rund 800 Visaanträge werden derzeit pro Tag beim israelischen Konsulat in Moskau gestellt, rund fünf mal mehr als in den Kriegswochen, berichtete der Vorsitzende der Jewish Agency in Jerusalem, Simcha Dinitz. Trotz des Krieges seien in den ersten beiden Monaten des Jahres 1991 ungefähr 20.000 sowjetische Juden nach Israel emigriert. Die Jewish Agency, die Spenden der Juden in der Diaspora zur Finanzierung der Einwanderung nach Israel organisiert, erwartet für das gesamte Jahr um die 300.000 jüdische Neueinwanderer aus der Sowjetunion.

Der israelische Minister für die Eingliederung der Einwanderer gab indes bekannt, daß in Haifa und Tel Aviv Büros entstanden sind, die die Auswanderung von Juden aus Israel organisieren. Als Zielländer der „Weiterwanderer“ aus der Sowjetunion nannte der Minister vor allem Deutschland, Südafrika, Kanada und Australien.

Der Vorsitzende der Organisation jüdischer Einwanderer aus der UdSSR in Haifa, Jizchak Abrahamson, erklärte, daß viele Einwanderer — insbesondere die Akademiker — keine Anstellung in Israel fänden. So seien bislang rund 5.000 Ärzte aus der Sowjetunion nach Israel gekommen, denen von den offiziellen Stellen kürzlich schlechterdings zu einer Umschulung geraten wurde.

Die Frage der Finanzhilfen für die Einwanderer hat derweil zu heftigen Debatten im israelischen Parlament geführt. Die Jewish Agency sah sich durch Finanzmangel gezwungen, ihr traditionelles „Geschenk“ von 1.000 Schekel (rund 500 US-Dollar) für jeden Einwanderer in einen Kredit umzuwandeln. Von den Knesset-Abgeordneten wurde dies heftig kritisiert, da vielmehr eine Erhöhung der Eingliederungshilfe nötig sei, um zu verhindern, daß Israel zunehmend zu einer Durchgangsstation für die Einwanderer aus der Sowjetunion wird. Vor diesem Hintergrund übte der Gouverneur der israelischen Staatsbank, Professor Michael Bruno, scharfe Kritik an der Regierung, weil sie in den vergangenen Kriegsmonaten in den USA und Deutschland um Hilfsgelder für Waffen und militärische Ausrüstung nachgesucht hat, während Finanzhilfen für die Einwanderung nach Israel viel dringender gewesen wären. Und auch das Budget der israelischen Regierung selbst steht unter dem Druck des Krieges: Nachdem die Militärausgaben erst vor kurzem um mehr als eine halbe Milliarde Schekel erhöht worden waren, fordert das Verteidigungsministerium nun erneut ein Zusatzbudget von 600 Millionen Schekel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen