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Für die ganze Familie

■ »Bronx War« von Joseph B. Vasquez im Xenon

Wer in den letzten Monaten Abel Ferraras »King of New York« im Eiszeit gesehen hat und sich an der pionierhaften Darstellung des Dealertums erfreute, wird von dem ebenfalls 1989 entstandenen Bronx War von Joseph B. Vasquez enttäuscht sein — was sich verlockend nach zweitklassiger Action anhört, entpuppt sich als Rückfall in die Sozialkritik, kurz SK.

In Gegenden, wo die Leute weit davon entfernt sind, massenhaft für Drogen zu sterben (wohl eher das Gegenteil), kommt Ferraras visionärer Dealer Frank White, der mit Drogengeld dem verwaisten Sozialsystem New Yorks auf die Beine helfen will, natürlich gut an. Besser als sein kleinbürgerliches Gegenstück aus Bronx War: Der Crackdealer mit einer Anlage zum schlechten Gewissen, fest verwurzelt in seinem puertoricanischen Ghetto. Tito Sunshine, so cool wie gutmütig, betreut eine kleine Gruppe Kumpels beim kollektiven Überlebensversuch = erst mal Geld machen, dealen. Aber selbst der Typus anständiger Dealer, der einem netten Mädchen schon mal rät, die Finger vom Crack zu lassen, kommt nicht drum herum, daß Gang/ Drogen/schnelles Geld auch ganz schnell Krieg/Tod/weggelaufene Freundin bedeuten. Und das hat er nicht gewollt. Tito lernt. Ein ehrliches Leben (Scheißjob, kleine Familie, kleinerer Garten) ist besser als eines, wo sich die Leichen deiner Freunde an jeder Straßenecke stapeln. Unoriginell, aber soweit richtig.

Vasquez hat alle Statistiken über Drogenkriminalität und die Lebenserwartung männlicher Jugendlicher in den Vereinigten Staaten hinter sich, aber in Bronx War hantiert er deshalb doch nur mit Klischees, die gerade mal für den Anschauungsunterricht taugen. Viel mehr scheint ihn allerdings auch nicht zu interessieren. Sein Lehrfilm für die Nachbarschaft bezeugt mit dem leidigen Entschluß zum gewaltlosen Spießertum zwar denselben Pragmatismus wie die Appelle der entsprechenden HipHoper an ihre jugendlichen Hörer, lieber zur Schule zu gehen, als erschossen zu werden, verwendet aber nicht dieselbe Mühe auf ein paar ästhetische Fragen. Choreographische Exzesse bei Gewaltszenen wie seinerzeit noch in Walter Hills Bandenkriegsfilm The Warriors könnten mißverstanden werden, okay, aber wie platt müssen Dialoge sein, damit auch Chico Toni alles mitkriegt? Bronx War hat mit seinem billigen Pathos an Stellen, wo man keines sehen will (zum Beispiel ein minutenlang mimisch ausgetragener Gewissenskonflikt, bevor Tito endlich mal schießt), bestimmt B-Movie-Qualitäten.

Die lieblos inszenierte Action dürfte ein weiterer Grund dafür sein, warum der Film am Kudamm floppte. Bei dem befremdlichen Verschnitt von Erschießungsszenen mit dem Strip einer Nachtclubtänzerin handelt es sich entweder um ein vergebliches Regietribut an die kassenerprobte Sex-and-Crime-Formel oder um eine Mutprobe im Schneideraum, die einmalig blieb.

Wer aber gerade das kleine Ghettospiel gern sieht, so bodenständig und voller Botschaft, kann sich auch schon auf Vasquez' jüngsten Film freuen, der gerade auf der Berlinale lief. Hangin' with the Homeboys ist das American Graffiti für ethnische Minderheiten. Die Homeboys haben noch genausoviel Chancen, an Rückenmarksschwund wie an einer Kugel zu sterben, es sind unbewaffnete Jungs, die versuchen, einen Job, eine Freundin oder eine bessere Zukunft zu kriegen. Man hängt jetzt gemischtrassig ab, ein schöner Trend. Zur Stählung des Problembewußtseins hält man sich aber besser an Bronx War. Ist zwar keine Public-Enemy- Platte, aber auch gut gemeint. kolt

Bronx War von Joseph B. Vasquez. 18., 19. und 20.3. um 23.15Uhr im Xenon.

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