: Die USA gehen auf Distanz zu Israel
Washington bezieht Position gegen Schamir: Golan-Höhen zurückgeben, keine neuen Siedlungen Israel soll Beitrag zur „Pax Americana“ im Nahen Osten leisten/ US-Finanzhilfe als Druckmittel ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Der Ton zwischen dem Weißen Haus und der israelischen Regierung wird zunehmend rauher. Nachdem Ministerpräsident Jizchak Schamir am Montag bekräftigte, daß die 1981 annektierten Golan-Höhen „ewig“ israelisch bleiben würden, ließ die Reaktion aus Washington nicht auf sich warten. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Richard Boucher, erklärte schroff, daß die USA die Annexion der syrischen Golan-Höhen durch Israel nicht akzeptieren. Der im Sechstagekrieg 1967 eroberte Golan sei vielmehr Land, das für Frieden getauscht werden müsse.
Auch auf die vom israelischen Wohnungsbauminister Ariel Scharon in der Knesset präsentierten Pläne, im kommenden Jahr rund 10.000 neue Siedler auf den Golan- Höhen anzusiedeln, reagierte Washington prompt und sichtlich verärgert. Die US-Regierung sieht darin den Versuch der israelischen „Falken“, die für „sensibel“ erachteten amerikanisch-syrischen Verhandlungen zu torpedieren. Das US-Außenministerium ließ so umgehend erklären, Washington lehne jede weitere Kolonisierung der besetzten Gebiete ab, da dies den Friedensprozeß sabotiere.
Israelische Quellen in Washington bestätigen die Entschlossenheit der US-Regierung, neue Siedlungen in der Westbank und dem Golan zu verhindern. Präsident Bushs innenpolitische Stellung ist derzeit stark genug, sich in dieser Frage auch mit der Israel-Lobby in den USA anzulegen. Wenn die Bush-Regierung ihren Finanzhebel gegen die Regierung Schamir einsetzen würde, wäre dies ohne Zweifel ein gewichtiges Druckmittel, denn Israel erhält von den USA Jahr für Jahr rund drei Milliarden US-Dollar an Wirtschafts- und Finanzhilfe. Und US-Verteidigungsminister Richard Cheney erklärte vor dem außenpolitischen Ausschuß des Kongresses bereits, durch den alliierten Sieg über den Irak sei Israel „heute weitaus sicherer als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in den vergangenen Jahren. „Wir sehen“, fügte der demnächst nach Israel reisende Cheney hinzu, „von einem militärischen Gesichtspunkt aus keinen Bedarf für eine massive Hilfe an Israel“.
Washington kritisierte den israelischen Regierungschef Schamir auch für seine schroffe Zurückweisung der prominenten Palästinenser aus den besetzten Gebieten, mit denen US-Außenminister Baker auf seiner Nahostreise in Jerusalem zusammengetroffen war. Während Schamir diese schlichtweg als „PLO- Leute“ abtat und die Palästinenser aufforderte, sich andere Führer zu suchen, ist die US-Regierung offensichtlich der Meinung, Israel solle den Dialog mit den Palästinensern mit eben dieser Gruppe beginnen.
Es wird zunehmend deutlich, daß die Allianzen und die Folgen des Golfkriegs die Kluft zwischen der israelischen und der US—Regierung beträchtlich vertieft haben. Die Bush-Administration zeigt sich eindeutig weniger tolerant gegenüber israelischer Politik, die nicht im Interesse der USA im Nahen Osten liegt. Israel wird als Verbündeter der USA zwar keinesfalls „fallengelassen“, aber doch unter starken Druck gesetzt werden, seinen Teil zur Umsetzung der „Pax Americana“ in der Region beizutragen. Dabei wird Israel zunehmend als einer von mehreren Verbündeten in der Region gesehen und kann sich nicht mehr auf eine Vorzugsbehandlung durch Washington verlassen — insbesondere dann nicht, wenn es sich nicht an die neuen Spielregeln der Amerikaner hält. Für Israel ist dies eine völlig neue Erfahrung, und Regierungschef Schamir fällt es schwer, sich dem neuen Klima anzupassen.
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