Ermittlungspannen in Dresden

Ermittlungen gegen Rechtsradikale erst nach dem Tod eines Mosambikaners/ Freilassung eines Tatverdächtigen/ Neue Festnahme und sechs weitere Haftbefehle/ Schwere Ermittlungspannen  ■ Aus Dresden Bernd Siegler

Die schweren Ermittlungspannen im Falle des tödlichen Überfalls einer Gruppe rechtsradikaler Jugendlicher auf den Mosambikaner Jorge Gomondai am Ostersonntag halten die Dresdner Polizei auf Trab. Ein letzte Woche festgenommener 19jähriger mußte wieder freigelassen werden, ein 17jähriger Dresdner wurde festgenommen, sechs weitere Haftbefehle wurden erlassen. Damit glaubt die Polizei die Gruppe der Rechtsradikalen ausgemacht zu haben, die den 28jährigen Arbeiter in der Nacht zum Ostersonntag verprügelt und schwer verletzt aus der fahrenden Straßenbahn geworfen hatten. Dresdens leitender Oberstaatsanwalt Jörg Schwalm kündigte an, daß die Ermittlungsfehler der Polizei in der Tatnacht „nicht vergessen“ seien, sondern „ernsthafte Konsequenzen bis hin zu einem eventuellen Verfahren wegen Strafvereitelung im Amt“ nach sich ziehen könnten.

Schwalm, im Dezember letzten Jahres von Nürnberg nach Dresden ausgeliehen, bestätigte, die Aussagen von zwei Frauen zu kennen, die in der fraglichen Nacht mit einem Taxi unterwegs waren und zur Tatzeit an der Stelle vorbeikamen, an der der Mosambikaner auf die Straße geworfen worden war. Demnach rief der Taxifahrer über Funk die Polizei, während die beiden Frauen erste Hilfe leisteten. Noch als die Beamten der Schutzpolizei am Tatort waren, befand sich die Gruppe der mutmaßlichen Täter in der Straßenbahn, die mit geschlossenen Türen wenige Meter entfernt stand. Trotz eindeutiger Hinweise darauf, unternahmen die Beamten nichts. Im Gegenteil. Sie hielten den schwer verletzt am Boden liegenden Gomondai für betrunken und nahmen weder die Personalien der beiden Frauen, noch die der Insassen der Straßenbahn auf. Erst einen Tag nach dem Tod des 28jährigen begann die Polizei mit den eigentlichen Ermittlungen. Per Zeitungsmeldung wurden die beiden Frauen gesucht, die sich daraufhin auch sofort gemeldet haben.

Oberstaatsanwalt Schwalm hält jedoch direkte Vorwürfe an die Polizei angesichts deren „personellen und materiellen Unzulänglichkeiten“ für unangebracht. Die Schutzpolizei sei in der ehemaligen DDR lediglich mit Aufgaben der Verkehrsregelung betraut gewesen und derzeit „noch nicht genügend unterrichtet über den ersten Zugriff nach der Begehung von Straftaten“. Um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, daß Polizei und Justiz im Falle der Übergriffe auf AusländerInnen untätig sei, kündigte Schwalm an, daß aus „generalpräventiven Gründen“ die laufenden Verfahren gegen die bei dem rechtsradikalen Aufmarsch zum Gedenken an den Führergeburtstag am 20. April Festgenommenen „so schnell wie möglich zu Ende geführt und zur Anklage gebracht“ werden würden.

Inzwischen hat sich das Land Sachsen „aus humanitären Gründen“ bereit erklärt, die Überführungskosten für den Leichnam von Jorge Gomondai in sein Heimatland zu übernehmen. Gegenüber dem Botschafter der Republik Mosambik kündigte Innenminister Krause an, alles zu tun, „um Übergriffe krimineller und radikaler Minderheiten auf Ausländer zu verhindern“ und entsprechende Straftaten zu ahnden.