„Wir werden gezielt menschlich mißhandelt“

Hilferuf von Asylbewerbern in einem Lager bei Augsburg an Behörden und Öffentlichkeit/ Zustände sind „unerträglich“  ■ Von Frank Bremauer

Landsberg/Lech (taz) — Das Asylbewerberlager Mittmayrhof liegt mitten in der Einflugschneise des Militärflughafens Prenzing. Transall- Maschinen donnern knappe 50 Meter über den neuangelegten Barackenbau.

Neben der Lärmbelästigung sind die 80 Bewohner (15 Nationen) üblen Gerüchen ausgesetzt, denn vor dem Küchenfenster des Lagers ist eine offene Kläranlage. Sie wurde errichtet, weil es fünf Kilometer außerhalb Landsbergs keinen Abwasseranschluß gibt. Die Bewohner wenden sich nun mit einem Hilferuf an Behörden und an die Öffentlichkeit. Sie klagen über Isolierung und fordern eine Betreuung, Sprachkurse und eine bessere Ernährung.

Ihre Situation war nicht immer so „unerträglich“ wie jetzt. Bis Oktober 1989 lebten Asylbewerber mitten im historischen Städtchen Landsberg: Der Altbau, die „Villa Khomeini“, wie sie im Volksmund wegen der darin lebenden Iraner hieß, war gleich neben einer Schule. So konnten zum Beispiel Flüchtlinge ohne Genehmigung, aber mit Duldung mancher Lehrer, dem Unterricht beiwohnen. Wenn ihr knapper Geldbeutel es zuließ, gingen sie in Cafés. Auch ihre Ernährung war besser, denn sie bekamen vom Landratsamt Warengutscheine, die sie gegen Lebensmittel eintauschen konnten.

Am 30.11.87 schrieb Barbara Stamm (bayerische Staatsministerin für Arbeit und Soziales) an Dr. Thomas Goppel: „Es müssen weiterhin alle Möglichkeiten genutzt werden, die den Mißbrauch des Asylrechts einschränken.“ Das Schreiben stellte die Weichen für die Auflösung der „Villa Khomeini“, die vom Landkreis Landsberg verwaltet wurde: Laut Stamm ist bei Verlegung der Asylbewerber „die Einschaltung des Landratsamtes entbehrlich. (...) Auch die Einflußnahme selbsternannter Betreuerkreise könnte dann verringert werden.“ Darüber hinaus äußerte die CSU-Frau „rechtliche Bedenken gegen Warengutscheine“. Sie setzte sich für eine „Paketlösung“ ein: Darunter versteht sie die Verteilung von Nahrungsmittelpaketen. In ganz Bayern fährt wöchentlich zweimal ein Laster zu den staatlichen Flüchtlingslagern. Die Firma Weigel aus Nürnberg liefert vor allem sterile abgepackte Nahrungsmittelpakete. Kritiker des bayerischen Sonderweges rechnen vor: „Die Lieferkosten gehen voll zu Lasten der Asylbewerber.“

Letzte Woche wurde ein Asylbewerber mit Verdacht auf Lebensmittelvergiftung ins Krankenhaus Landsberg eingeliefert. Seine Symptome waren Erbrechen und Durchfall. Dr. Peter Unglehrt vom Gesundheitsamt dazu: „Es war keine Lebensmittelvergiftung, sondern der Mann hatte Magen- und Darmbeschwerden. Außer aufgeblähten Orangensafttüten und einem fehlenden Haltbarkeitsdatum bei Wurst haben wir keine Beanstandungen festgestellt.“ Auf die unhygienischen Zustände in der Küche antwortet Dr. Unglehrt: „Da sind die Asylbewerber selbst verantwortlich.“ Sind das ausgelaufene Waschmaschinenwasser, der Müllhaufen und die außerordentlich verschmutzte Einrichtung des Barackenneubaus keine Probleme für das Gesundheitsamt?

Ein Bewohner des Lagers meint: „Das ist kein Wunder, daß der Putzdienst nicht funktioniert. Für uns ist die Isolierung eine psychische Katastrophe. Hier sind nur Männer. Manche von uns kommen zum Teil aus Gefängnissen, weil wir politisch verfolgt wurden — und nun dieses Lager. Es ist auch ein Gefängnis.“ Rose Roth, eine Helferin aus privater Initiative, spricht, wenn sie vom Hausmeister des Heimes, Herrn Czerny, redet, nur noch vom „Lagerkommandanten“. „Das können Sie ruhig zitieren, er schikaniert die Bewohner, wo es nur geht. Übrigens ist das Lager Kaufering [Außenlager vom KZ Dachau, d. A.] nur fünf Kilometer entfernt.“

Der zuständige Sachbearbeiter der Regierung von Oberbayern, Herr Eichheim, ist „krank“. Frau Eisert, die ihn vertritt, redet von „Gerüchten, die die Asylbewerber ausstreuen“. Sie muß sich erst sachkundig machen.