: Vom Hörsaal besoffen auf die Sträflingsinsel
■ Das TAK im Souterrain spielt Willy Russels Erfolgsstück »Bildung für Rita«
Mike Traynor wird von Sabine Weinhold interviewt (Foto: Glöckner/Heinrich)
Zwei Welten prallen aufeinander. »Ick will wat vanüftijes lärrnen, verstehste mir«, plärrt im besten Neuköllner Akzent die frustrierte Friseuse Rita ihrem versoffenen Literaturdozenten Frank entgegen.
Genervt von Job, Ehemann und abendlichen TV-Programm hat sie sich dazu entschlossen die wunderbare Welt der angelsächsischen Literatur für sich zu entdecken, was Frank nur widerwillig ausbaden möchte.
Der würde eigentlich lieber, mit Selbstmitleid und Schnaps über Gebühr versorgt, in seinem staubigen Büro kleben bleiben und weiter darüber jammern, daß niemand seine poetischen Versuche zur Kenntnis nehmen will.
Der intellektuelle Akademiker und seine proletarische Schülerin aus den weniger feinen Vierteln der Stadt: Wie diese verschiedenen Lebenswelten miteinander zu vereinbaren sind, wird in der Komödie »Bildung für Rita« des Engländers Willy Russel mit viel Tempo und Witz beschrieben.
Dabei kennt der Autor das Millieu, in dem er sich bewegt, ganz genau, denn bevor Russell erfolgreich begann, Theaterstücke zu schreiben, mußte er sich in Liverpool als Damenfriseur durchschlagen. Diese Komödie beruht zwar auf einem sozialen Konflikt, doch der bildet nur die Grundlage der Handlung. So darf der Zeigefinger gesenkt bleiben und die Schauspieler können, von Mechtild Erpenbeck in Szene gesetzt, voll und ganz ihr komödiantisches Talent ausspielen. Sabine Weinhold bringt Ritas wundersame Wandlung von der Friseuse zur Musenbraut mit Stil auf die Bühnenbretter.
Mike Traynor als verkrachte Intellektuellenexistenz Frank steht ihr in nichts nach. Mit ungelenken und steifen Bewegungen, als ob die gesamte europäische Geistesgeschichte auf den gepolsterten Schultern sei nes häßlich-braunen Anzugs lasten würde, stolpert er über die Bühne. Er streitet sich mit seinen Kollegen und Vorgesetzten, und fällt schließlich während der Vorlesung betrunken vom Podium. Der Eklat ist da, und er muß die Universität gegen die akademische Sträflingsinsel Australien eintauschen. Rita ist derweil aus der häuslichen Ehegemeinschaft aus- und in eine Wohngemeinschaft eingezogen. Nach bestandenem Examen als richtige Studentin greift sie für Frank noch ein letztes Mal zur Schere und wird noch einmal zu dem, was sie schon lang genug war. Zur Friseuse.
Trotz einiger unvermeidlicher Längen nach der Pause bereitet »Bildung für Rita« als intellektualisierte Version von »My Fair Lady« viel Vergnügen. Diese Komödie ist genau das richtige Stück für den Beginn einer lauen Sommernacht. Markus Peters
TAK im Souterrain, Mi, Fr & Sa 20.00
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