: Berliner Kultur
Daß Manfred Wekwerth, der Leiter des Berliner Ensembles, zurücktreten wird, berichteten wir bereits am Dienstag. Um einen Neuanfang an dem Theater bald zu ermöglichen, will der Berliner Kultursenator Ulrich Roloff-Momin noch bis Ende Mai einen neuen Intendanten für das Brecht-Theater am Schiffbauerdamm präsentieren. Wekwerth, früheres Mitglied des SED-Zentralkomitees, soll einen Auflösungsvertrag erhalten, so der Senator am Donnerstag mit.
Bereits in nächster Zukunft will Roloff-Momin Gespräche mit den Erben führen, die im Besitz der Aufführungsrechte an den Stücken Bertolt Brechts sind. Er könne sich als Ergebnis sowohl ein Stiftungsmodell als auch die Möglichkeit vorstellen, daß die Beziehung der Brecht-Erben zu dem Theater am Schiffbauerdamm ganz beendet werde. Sollte keinerlei Einigung mit den Erben erzielt werden, sei auch denkbar, „daß an diesem Haus kein Brecht mehr gespielt wird“. Der Senator bezeichnete eine so „dominierende Rolle von Privatpersonen“, wie sie bisher dort bestanden habe, an einem staatlich subventionierten Theater als einen Anachronismus.
Die jetzt noch von Heiner Müller geleitete Akademie der Künste im Ostteil der Stadt hört Ende des Jahres zu bestehen auf. Wie Roloff-Momin weiter mitteilte, hätten die neuen Bundesländer „unisono“ erklärt, daß sie an einer Mitfinanzierung dieser Akademie neben der im Westteil der Stadt nicht interessiert seien.
Sorgen, so bekannte derselbe Kultursenator und Ex-Präsident der (West-)Berliner Hochschule der Künste, mache ihm ihm die Lage der bildenden Kunst in Berlin, weil durch die Mietexplosion „in der boomenden Stadt“ die praktizierenden Künstler ihre Existenzgrundlage zu verlieren drohten. Ähnliches gelte „für die Freie Szene, die den Humus des kulturellen Lebens dieser Stadt bildet“. Auch fehlten dem Berliner Kulturetat für 1991 immer noch 280 Millionen Mark.
Roloff-Momin betonte den „Werkstattgedanken“ für die künftige kulturelle Arbeit in Berlin. Beispiele hierfür seien die Idee eines Theaters der Nationen in der bisherigen Freien Volksbühne, die Etablierung eines internationalen Tanztheaters, eine internationale Nutzung der DEFA-Produktionsstätten, die Arbeit der Freien Gruppen sowie die Arbeit der Kinder- und Jugendtheater in Berlin. Jedenfalls muß die Wandlung der politischen Gegebenheiten in Europa nach Ansicht des Kultursenators gerade in Berlin dazu führen, die eigene Position zu überdenken. „Dies gilt im kulturellen Bereich insbesondere für die großen Institutionen.“ Das betreffe nicht nur die Einrichtungen in den östlichen Stadtbezirken Berlins.
Berlin habe eine in Deutschland einmalige „kulturelle Schatzkammerfunktion“ und eine deutlich gestiegene Anziehungskraft. Die Berliner Bühnen hätten bisher schon mit 4,5 Millionen Zuschauern jährlich fast ein Fünftel aller bundesdeutschen Theaterbesuche verzeichnet, die Berliner Museen sowie die Schlösser mit ihren Gärten jeweils acht Millionen Besucher angelockt, so Roloff-Momin am Donnerstag in Berlin anläßlich des Europatages 1991 bei einer gemeinsamen Veranstaltung des Senats, der EG und des Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen