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Pfifferlinge in Becquerelsahnecurry-betr.: "Pfifferlinge beim Ausstiegsszenario", taz vom 27.4.91

betr.: „Pfifferlinge beim Ausstiegsszenario“, taz vom 27.4.91

[...] Das Trio (UmweltministerInnen Monika Griefahn [Niedersachsen], Günther Jansen [Schleswig- Holstein], Joschka Fischer [Hessen]) hatte entdeckt, daß die Entsorgung der Atommeiler per Wiederaufarbeitung in La Hague oder Sellafield mit den Buchstaben des Atomgesetzes nicht übereinstimmt: Die Wiederaufarbeitung ist nicht „schadlose Verwertung“ der abgebrannten Brennelemente, die nach Paragraph 9a des Atomgesetzes vorgeschrieben ist.

Diese späte Erkenntnis mindert nicht den Wert der Aussage. Warum allerdings das ausstiegswillige Trio mit dieser bahnbrechenden Einsicht ihren Landes-AKWs nicht unmittelbar ans Leder gehen, sondern allein die Neubaupläne in den neuen Bundesländern torpedieren will, vermag nachvollziehen wer kann. Günther Jansen war übrigens einmal einen Schritt weiter: Er ließ per Expertise durch den Marburger Rechtswissenschaftler Prof.Lange aufdecken, daß die sogenannten „Entsorgungsgrundsätze“ der Chefs von Bund und Ländern aus den Jahren 1977-80, auf die sich die Atomlobby bis dato stützt, eine bloße politische Verabredung darstellten, aus juristischer Sicht seien sie irrelevant. Also: Die Entsorgung ist nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich ungesichert, und das „Abschalten sofort!“ ist selbst aus realpolitischer Sicht nur eine Frage des politischen Wollens. Nur wollen's die drei?

Zum Schluß schlägt Monika Griefahn noch vor — vorausgesetzt der Ausstieg aus der Atomenergie käme dennoch irgendwann per Umnovellierung des Atomgesetzes in Sicht —, wenn nötig auch die Nutzung von Gorleben zu akzeptieren. Sozusagen als Gegenleistung, aber „nur noch als ,Grabstättenbau‘ für das bereits vorhandene Strahlenerbe der Vergangenheit“. Wenn sie das wirklich so gesagt hat, so ignoriert sie sämtliche begründeten prinzipiellen Zweifel an der Lösbarkeit des Atommüllproblems überhaupt, die prinzipiellen Zweifel an dem Endlagermedium Salz und auch die massiven Einwände gegen eben diesen maroden Salzstock mit seinem fehlenden Deckgebirge und dem Grundwasserkontakt.

Lag's an den Pfifferlingen in der Becquerelsahnecurrysauce, daß eine ausstiegswillige „Atomministerin wider Willen“ die Akzeptanz eines politisch angeschlagenen Standorts herbeiredet, dieses aber doch, wie uns auf unseren Protest hin aus dem niedersächsischen Umweltministerium mitgeteilt wurde, per Leserinnenbrief im nachhinein dementieren lassen möchte? Wir hätten mit einer Gegendarstellung gerechnet. Wolfang Ehmke,

BI Umweltschutz

Lüchow-Dannenberg e.V.

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