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Moskaus Einschüchterungskampagne

■ In Armenien führen sowjetische Armee-Einheiten „search and destroy“- Aktionen durch/ Politische Polarisierung bringt Ter-Petrossjan in Schwierigkeiten/ Geht Gorbatschows Rechnung auf?

Moskau/Eriwan (wps/taz) — Die Methoden der „Operation Ring“, mit deren Hilfe die sowjetische Armee, Spezialeinheiten des Innenministeriums und aserbaidschanische Truppen die armenischen Freiwilligenverbände entwaffnen, ist mittlerweile auch in Moskau auf heftige Kritik gestoßen. Anatoli Schabad, Abgeordneter des russischen Parlaments, erklärte nach einem Besuch Voskepars, wo letzte Woche elf armenische Polizisten zusammengeschossen worden waren: „Es war rundheraus ein Blutbad, ein Massaker...“ Die 'Komsomolskaja Prawda‘ schloß sich an: „Methoden dunklerer Zeitalter werden angewandt.“ Im Verlauf der „search and destroy“- Operationen der letzten Woche in den Dörfern Getashen und Marthunashen waren nach armenischen Angaben 37 Einwohner getötet worden. Bei ihren Entwaffnungsaktionen setzen die sowjetischen Einheiten Panzer und Hubschrauber ein, umstellen die Dörfer und drohen, die Häuser dem Erdboden gleichzumachen. Die Aktion stützt sich auf das Entwaffungsdekret Gorbatschows vom Juli letzten Jahres. Betroffen sind vor allem die Dörfer entlang der armenisch-aserbaidschanischen Grenze. Daß stets nur armenische Siedlungen das Angriffsziel bilden, hat die armenische Bevölkerung in ihrem Verdacht bestärkt, die Zentralmacht habe sich endgültig auf die Seite Aserbaidschans geschlagen. Da die Sowjetsoldaten auch armenische Milizeinheiten entwaffnen, die sich der Regierung Ter-Petrossjan unterstellt haben und von ihr mit Polizeifunktionen ausgestattet worden sind, wird der Entwaffnungskompromiß des letzten Jahres mit dem damaligen Unions-Innenminister Bakatin untergraben. Danach war Armeniens Regierung beauftragt worden, die spontan entstandenen bewaffneten Verbände selbst aufzulösen bzw. in die Polizei einzugliedern. Bakatin war damals der Einsicht gefolgt, daß es angesichts der Geographie Armeniens sowieso unmöglich sei, eine erfolgreiche Entwaffungsaktion durchzuführen. Der jetzige Militäreinsatz verfolgt, so die Meinung innerhalb des demokratischen Milieus Moskaus, vor allem den Zweck, die Bevölkerung einzuschüchtern und sie von dem Weg der Unabhängigkeit abzubringen. Dem diene auch das Fahrverbot für private Fahrzeuge, das der SU-Oberbefehlshaber in Berg-Karabach erlassen hat und das weiterhin in Kraft ist.

So untauglich die Militäroperation, gemessen an ihrem deklarierten Ziel, ist, sie polarisiert weiter, treibt noch mehr Armenier dazu, mit der Knarre in die Berge zu gehen — und fördert den ökonomischen Ruin des Landes. Nach der Erdbebenkatastrophe, nach der Eisenbahnblockade durch Aserbaidschan, nach dem Zusammenbruch der Versorgungswege durch Georgien wird jetzt als Folge des Truppeneinsatzes die landwirtschaftliche Produktion in schwere Mitleidenschaft gezogen. Die gemäßigte Regierung Lewon Ter-Petrossjans, die die Unabhängigkeit Armeniens auf der Grundlage des Austrittsgesetzes und im Einvernehmen mit der Moskauer Zentrale anstrebt, sieht sich Angriffen Extremisten ausgesetzt. Diese verübeln der armenischen Regierung mehr noch als ihre langsame Gangart zur Unabhängigkeit den vorsichtigen Annäherungsprozeß an den „Erbfeind“ Türkei. Andererseits breitet sich politische Resignation aus. Sie ist Gorbatschows Trumpfkarte bei der Volksabstimmung über die Unabhängigkeit, die für den 21. September dieses Jahres angesetzt ist. C.S.

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