piwik no script img

Rechtsprechung auf feudale Art

■ Mißratener Versuch in Kuwait, Rechtsstaatlichkeit zu simulieren

Rechtsprechung auf feudale Art Mißratener Versuch in Kuwait, Rechtsstaatlichkeit zu simulieren

Strafverfahren, die nach formalisierten, berechenbaren Rechtsregeln durchgeführt würden, sind die „Prozesse gegen die Besatzungskollaborateure“ nicht, die in Kuwait begonnen haben: Das Sondergericht erspart sich jede Beweisführung gegen die Angeklagten. Abgeurteilt wird auf der Basis von Gerüchten und Denunziationen und unter Berufung auf Aussagen, die nach Auskunft einiger unter Folter erpreßt wurden. Zehn Personen standen am ersten Tag vor Gericht, vier wurden entlastet, sechs wurden zu Haftstrafen zwischen drei und fünfzehn Jahren verurteilt — das Ganze innerhalb von fünf Stunden. Revision und Widerspruch gegen die ergangenen Entscheidungen ist nach dem immer noch geltenden Kriegsrecht nicht möglich; die einzige Rettung für die Abgeurteilten wäre eine Begnadigung durch den kuwaitischen Kronprinzen.

Die ganze Veranstaltung ist ein dilettantischer Versuch der kuwaitischen Justiz, vor den versammelten Vertretern internationaler Hilfsorganisationen, vor Politikern und Presseleuten so etwas wie „Rechtsstaatlichkeit“ zu simulieren.

Als Saddam Husseins Truppen Kuwait besetzten, gab es auch in jenen arabischen Staaten, die Teil der antiirakischen Front waren, viele, die mit der irakischen Politik sympathisierten. Ein wichtiger Grund dafür war die Entmachtung des Al- Sabah-Clans in Kuwait. Solange sie im Exil auf internationale Unterstützung angewiesen waren, schlugen die Mitglieder des Clans sogar gegen die kuwaitische Opposition einen freundlichen Ton an und versprachen für den Fall der Befreiung Kuwaits eine umfassende Demokratisierung. An die Adresse aller nicht-kuwaitischen Bewohner des Emirats und an die Kritiker der Regierung ergeht jetzt eine klare Botschaft: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns und hat mit gravierenden Konsequenzen zu rechnen.

Alle der Kollaboration beschuldigten Kuwaitis, „die ihre Unschuld beweisen konnten“, seien freigelassen worden, teilte der kuwaitische Justizminister vorgestern freimütig mit. Von Nicht-Kuwaitis war nicht die Rede. Ganz unverstellt gab er mit seiner Äußerung die Umkehrung der Beweislast in diesen Verfahren zu. Und er verriet, wie die Justiz in Kuwait nach wie vor funktioniert: als mehrstufiges System der Entrechtung. Nicht-kuwaitische Bewohner des Emirats haben noch weniger Rechte als Kuwaitis. Gegen viele von ihnen, vor allem gegen Palästinenser, wurde nach der Befreiung von der irakischen Besatzung ohnehin noch kürzerer Prozeß gemacht: Sie wurden im Gefängnis oder auf offener Straße umgebracht. Nina Corsten

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen