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Justizminister wollen kurze Prozesse

■ Gerechtigkeit soll billiger werden / Anwälte kritisieren Rechtsschutz-Verlust für kleine Leute

„Das habe ich von einem sozialdemokratisch regierten Land nicht erwartet“, sagt der Vizepräsident des Deutschen und auch des bremischen Anwaltsvereins, Günter Bandisch. In seltener Einigkeit haben die Justizminister von Bayern bis Bremen ein Gesetzespaket in den Bundesrat gebracht, das die Rechte der Betroffenen vor Gericht insbesondere in kleinen Fällen drastisch einschränken soll.

Die Justitverwaltungen wollen Kosten sparen. Beispiel: Während bisher im Strafverfahren der einfache Weg des „Strafbefehls“ ohne Gerichtsverfahren nur bis zu einer Strafe von 360 Tagessätzen möglich war, sollen in Zukunft Delikte bis zu einem Jahr Freiheitsentzug ohne Verfahren erledigt werden können, wenn die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Dieses Strafmaß bedeutet eine gehörige Vorstrafe, die für Beamte sogar eine Entlassung zur Folge hat. Die Bewährung kann zudem widerrufen werden — theoretisch denkbar ist also, daß jemand für ein Jahr ohne mündliches Gerichtsverfahren hinter Gitter geht. Eingeschränkt werden soll auch das Recht, Beweisanträge zu stellen, die Ladung von Zeugen aus dem Ausland kann gänzlich versagt werden. Bei Strafen bis zu 30 Tagessätzen soll eine Berufung nur nach einem komplizierten Zulassungsverfahren möglich sein.

Im Zivilverfahren geht es vor allem um die kleinen Streitigkeiten: Bei Streitwerten bis zu 2.000 Mark soll überhaupt keine Berufung zulässig sein, bis zu 10.000 Mark Streitwert soll der Amtsrichter entscheiden, bis zu einem Streitwert von 30.000 Mark soll beim Landgericht ein Einzelrichter entscheiden.

Derartige Vereinfachungen treffen vor allem Leute, die mit kleinen Delikten vor den Kadi gezogen werden oder um kleine Summen streiten und sich dafür keinen Anwalt leisten können, kritisiert die Standesvertretung der Anwälte. Betroffen sind auch rechtlich unerfahrene Menschen, die die Tragweite eines Strafbefehls nicht erkennen und etwa den Antrag auf eine „mündliche Anhörung durch den Richter“ nicht stellen wollen. In der Praxis sind Berufungen in Strafverfahren in zwei Dritteln der Fälle erfolgreich, in Zivilverfahren in der Hälfte der Fälle. Problematisch sei es in diesem Zusammenhang vor allem, wenn in weit mehr Fällen Einzelrichter Entscheidungen fällen, gleichzeitig die Kontrolle durch die Berufungsinstanz aber eingeschränkt wird.

Man müsse im Interesse der Gerichtsbareit in den neuen Ländern „Justizressourcen teilen“, rechtfertigt der Bremer Justizsenator Volker Kröning das Reformgesetz der Länderminister, die Vorschläge seien „weitestgehend auf fünf Jahre befristet“. Die Entlastungswirkung soll schon für 1992 „spürbar“ sein: In Bremen könnten 20 Richter und Staatsanwälte eingespart werden, bundesweit über 1.500.

Das „hochgezüchtete Rechtssystem“ würde dabei einige Vereinfachungen vertragen. Die Vorschläge zur Beschleunigung der Justizverfahren würden zudem „seit Jahren“ vorgebracht, seien bisher immer „an der Anwaltslobby im Bundestag“ gescheitert. Zu dem Beispiel des Strafbefehls über ein Jahr Freiheitsstrafe meinte Kröning, es gebe auch nach dem vorgeschlagenen „Maßnahmegesetz“ die Möglichkeit, mit einem Einspruch ein Gerichtsverfahren zu verlangen.

Der niedersächsische Ministerpräsident, der Anwalt Gerhard Schröder, hat das Maßnahmegesetz einen „abenteuerlichen Vorschlag“ genannt, der „technokratische Unsinn“ sei doch nicht umsetzbar. In der Beratung der Bremer Landesregierung waren so scharfe Töne nicht zu vernehmen. Aber während der (gelernte Staatsanwalt) Henning Scherf für die Justizreform stritt, hatten sich Gesundheitssenatorin Vera Rüdiger und Sozialsenatorin Sabine Uhl ihrer Stimme enthalten. K.W.

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