piwik no script img

Jetzt streck dich, Esel!

■ Auf vier Jahre verteilt, 60 Millionen mehr für Bremer Kultur? / Senat verabschiedet „Kulturelles Aktionsprogramm 1992-1995“

Der Bremer Senat hat gestern ein Papier gebilligt, welches enorme Mehrausgaben für die Kultur vorsieht: das „Kulturelle Aktionsprogramm 1992-1995“ aus Scherfs Kultursenatorium. Sollte es wahrhaftig umgesetzt werden, müssen 60 Millionen Mark her. Die Frage ist, woher — und wohin.

Insgesamt 8 Millionen soll bis 1995 ein künftiges „Bremer Kulturbüro“ kriegen. Da bliebe, wenn erst die neuen Behördensessel angeschafft sind, womöglich Geld übrig für folgende Zwecke: Hilfsprogramme entwickeln für freie Gruppen, Gelder schürfen, wo noch niemand gesucht hat, Servicedienste und Öffentlichkeitsarbeit machen für kulturelle Taten, und, simsalabim, vernetzen über vernetzen. Eventuell könnte das Büro über das „Wirtschaftlichen Aktionsprogramm“ (WAP) finanziert werden.

Seit einem Jahr geht, als blasse Erscheinung, die Idee einer „Kulturstiftung“ um. Jetzt könnte sie Farbe kriegen: Im Programm macht die Behörde der knickrigen Wirtschaft ein seriöses Pokerangebot. Kultursenator Scherf: „Wir sind bereit, über eine solche Stiftung jeden von der Wirtschaft zur Verfügung gestellten Betrag durch Haushaltsmittel zu verdoppeln“. Vier Milliönchen, zwei links, zwei rechts, sollen so jedes Jahr zusätzlich auf

den Tisch gehauen werden.

Das Geld soll schwerpunktmäßig in fünf „Fonds“ sortiert, innerhalb dieser Fonds aber flexibel bewegt werden. In die Fonds (namentlich Museen, Theater, Musik, Volksbildung/Kulturelle Breitenarbeit und fünftens Stadtbildgestaltung) hat man größere und kleinere Geldnehmer erst einmal gleichermaßen gepackt. Wer wieviel kriegt und wo evtl. noch Sponsoren beschafft werden können, dafür sollen, wie bei ordentlichen Projekten üblich, die Fonds offen bleiben.

Wenn es nach dem Programm geht, wird Bremens Kulturpolitik es allerdings weiterhin allen recht machen wollen: irgendwie und vielleicht mit bißchen mehr Geld. Von funkelnden Ideen ist bislang wenig bekannt. Aber nützliche Vorhaben sind immerhin aufgelistet:

Die Ostertorwache könnte zu einem kleinen Design-Zentrum umgebaut werden. Der Nachlaß

hierhin bitte

die Karikatur

(und bitte

mit Rahmen drumrum!!!!)

des in Bremen gebürtigen Designer-Großformats Wilhelm Wagenfeld ist der Stadt bereits angeboten worden. Möglicherweise wird eine Wagenfeld-Stiftung gegründet, die private Gelder für den Umbau besorgt.

Das Focke-Museum, dringend einer Renovierung bedürftig, soll endlich ein bißchen aufgemöbelt werden. Gedacht ist an eine Erweiterung um eine Abteilung „Bremen seit der Industrialisierung“. Damit hätte man sich quasi ein kleines Museum des Alltags und der Arbeit im 19. und 20. Jahrhundert geleistet. Der designierte neue Leiter Christiansen ist nicht zufällig ein Spezialist auf diesem Gebiet.

In der Langenstraße ist mit der alten Hauptpost für zehn Jahre ein potentielles Ausstellungszentrum gemietet. Das Fotoforum soll sich mit drei bis vier Ausstellungen im Jahr beteiligen.

Das mählich verstaubende Übersee-Museum soll jetzt Geld

für einen vernünftigen Betrieb und darüberhinaus für eine Sonderausstellung zum 100jährigen Jubiläum 1996 kriegen.

Andere Förderungsansätze betreffen die Jugend- und Volksmusikschule, die Stadtbibliothek, aber auch das nur für Touristen interessante Becker-Moderssohn-Museum in der Böttcherstraße.

Dem Ernst-Waldau-Theater gegenüber hat sich die Behörde allerdings zu einer Haltung aufgerappelt. Es wird derzeit, heißt es munkelig, „mit Hilfe auswärtiger Expertenunterstützung“ an einer „grundlegenden konzeptionellen Neuorientierung“ gearbeitet. Scherf gestern auf der Senatspressekonferenz: „So wie es ist, kann es nicht weitergehen“.

Auf die Frage, ob denn die Verfechter des Neubaus einer Philharmonie (und vielleicht als Muschel mitten in der Weser) mit Unterstützung rechnen könnten, hatte der Senator knappe Antwort parat: „Dafür keine Mark. Für ein paar alte Männer, die sich profilieren wollen!“

Viel weitschweifiger reagierte Scherf auf die Frage, wo die geforderten 60,6 Millionen eigentlich herkommen sollen. Kein Wunder, es weiß auch noch niemand. Heute befaßt sich schon mal, wahrscheinlich wohlwollend, die Deputation für Wissenschaft und Kunst mit dem Kultur- Paket, im Herbst aber werden die Zerberusse von der Kette gelassen: dann beginnen die Haushaltsberatungen.

Scherf kann als Frohbotschaft immerhin verkünden, daß sich seit langem mal wieder der Senat geschlossen hinter solch ein Programm gestellt hat. Sein Vorgänger Franke hatte 1987 in einem Plan eine mäßige Erhöhung seines Etats von damals 70 auf 90 Millionen im Jahr 1995 veranschlagt.

Selbst solchen bescheidenen Ansatz, der effektiv einer Stagnation gleichkam, hat vor vier Jahren schon der erstinstanzliche Senat abgewürgt. Manfred Dworschak

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen