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Nebenjobs für die KSZE

■ Auch die neue europäische Friedensordnung wird auf sich warten lassen

Nebenjobs für die KSZE Auch die neue europäische Friedensordnung wird auf sich warten lassen

Wenn US-Außenminister James Baker in Berlin über die künftige Sicherheitspolitik der KSZE referiert, glaubt das Publikum, der allgemeine Aufbruch hin zu einer neuen Friedensordnung in Europa sei nunmehr endgültig eingeläutet. Stehen doch besonders die US-Amerikaner nicht gerade im Verdacht, eine Konkurrenz zu dem von ihnen geführten Nato-Bündnis fördern zu wollen. Aber der erste Korb der KSZE-Schlußakte gilt nun einmal der Sicherheit, und es könnte ja sein, daß die Politik Washingtons sich zu einer neuen Haltung entschlossen hat.

Das bleibt aber ganz unwahrscheinlich. Während der Verhandlungen im Rahmen der 2+4-Gespräche war es schon einmal um neue Sicherheitsstrukturen in Europa gegangen. Der Auftrag für die 2+4-Verhandlungen, so der Beschluß im Februar 1990 im kanadischen Ottawa, lautete nicht nur, die „äußeren Aspekte der Herstellung der deutschen Einheit“ zu klären, sondern auch, „die Fragen der Sicherheit der Nachbarstaaten“ zu verhandeln. Gerade die Bürgerbewegungen der alten DDR hofften damals, die Dynamik der deutschen Einigung könnte auch als Schubkraft auf dem Wege zu einer neuartigen europäischen Friedensordnung wirksam werden. Der US-amerikanische Außenminister betonte jedoch regelmäßig, daß Entwicklungen der KSZE lediglich „ergänzend“ zu den Nato-Strukturen akzeptabel seien. Davon ist Baker keineswegs abgerückt.

In den USA gibt es ein weit verbreitetes Mißtrauen gegen die Bildung übernationaler Bürokratien, besonders unter den regierenden Konservativen. Ihre eigene Kreation, die Vereinten Nationen, haben die USA grob vernachlässigt, als diese mit der Herausbildung einer Mehrheit der Dritten Welt nicht mehr so einfach für US-Ziele einsetzbar wurden. Aus der UNESCO sind die USA gar ausgetreten. In der Sicht vieler Amerikaner war die KSZE bislang hauptsächlich ein Menschenrechtsunternehmen, kaum mehr. Auch europäische Sicherheitseliten möchten der KSZE keine wichtigen militärpolitischen Aufgaben übertragen. In Genschers Planungsstab denkt man eher an die politische Dimension der EG, wenn es um neue Friedensstrukturen für Europa geht.

Betrachtet man Bakers Vorschläge zu den Sicherheitsaufgaben der KSZE näher, wird rasch deutlich, daß allenfalls Nebenaufgaben zugewiesen werden sollen. Von transnationalen KSZE- Streitkräften oder auch nur transnationalen Truppen zur Überwachung von Rüstungsreduzierungen in Europa wird nicht einmal gesprochen. Ähnlich wie bei Bushs fast schon vergessener „neuen Weltordnung“ wird es auch in der europäischen Friedensordnung keine bahnbrechenden Neuerungen geben. Ulrich Albrecht

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