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Der Affe, der Mensch und der Tod

■ Franz Kafkas „Bericht für eine Akademie“: Ute Rauwald als Rotpeter im Brauhauskeller

Ein Affe, in Afrika verwundet, gefangen und für die Firma Hagenbeck nach Europa verschifft, sieht nur einen Ausweg aus der Käfig-Enge: Mensch werden nach dem Vorbilde der Säufer und Zotenreißer um ihn, die sich frei auf Deck bewegen dürfen. Das beginnt mit der Überwindung des Ekels vor Schnaps und Selbsterniedrigung und endet in einem europäischen Bildungsbürger, der seiner Natur und Vergangenheit mit soviel Erfolg Gewalt angetan hat, daß er nun der hochverehrten Akademie, d.h. uns, darüber Bericht erstattet.

Kafkas geniale Erzählung aus präzise schwebender Ironie hat seit je als Vorlage für Kabinettstückchen für Allein-Schauspieler gedient. Je unauffälliger da jemand die Register zwischen geknechteter Natur (Affe) und erzwungener Kultur (Mensch) zu ziehen weiß, desto besser. Auffallend am letzten „Versuch über Kafka — Bericht für eine Akademie“ ist die Intelligenz der Inszenierung von Hiltrud Kissel und der bittere Witz einer sehr süßen Ute Rauwald, die im düstern Brauhauskeller zeigt, was auf den Brettern des Schauspielhauses, zu dessen Ensemble sie gehört, sie niemand zeigen ließ.

Ute Rauwald im korsettierenden Leibchen der Frida Kahlo ist so artig, so gewinnend wie ein Model, das durch die Schule von „Lächeln oder Untergehen“ gegangen ist. Aus dieser Artigkeit bricht sich verdrängte äffische Natur als Zorn und Ekel so abgespalten Bahn, als stammte sie von einer anderen Person. Die Arbeit von Rauwald und Kissel ist so durchsichtig und durchdacht, daß gerade ihre besten Passagen zur Diskussion herausfordern.

Zum Beispiel die Szene, als das artig kultivierte Wesen urplötzlich und buchstäblich zornrot anläuft und mit konvulsivisch gen Himmel stechendem Zeigefinger das Lob der gelöschten Erinnerung brüllt. Die Geste, wir kennen sie aus Hitler-Reden, macht genauso viel Sinn wie die Interpretation von Alice Miller: Danach hat der missionarische Judenhasser Hitler das ihm selbst Angetane so zwanghaft an anderen austoben müssen, wie er es aus seiner Erinnerung gelöscht hat. Aber Kafkas Zwangskultivierter ist kein Hitler, sondern ein angepaßter Bildungsbürger, die Bestie ist aus ihm ausgefahren.

Oder die wunderbare Szene, in der der Affe, sich über das Saufritual kultivierend, den Ekel aussabbert und -keucht, den er über sein Vorbild empfindet, den Säufer, der tags und nachts zun Käfig kommt, um ihm die Entmenschung des Saufens beizubringen. Rauwalds Affenmenschin schüttelt es angesichts der Affennatur des Vorbilds. Bei Kafkas Affenmenschen aber höre ich einen Ton dialektischer Ironie, die dem saufenden Vorbildmenschen weniger mit Ekel als mit mitleidiger Gnadenlosigkeit, mit unrettbarem Witz beikommt. Uta Stolle

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