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„Deutlicher Kaufwille“ treibt Preise hoch

■ Diplomaten und private Geschäftsleute konkurrieren um die schönsten Villen im Grunewald/ Private Verkäufer im Umland versprechen sich Extraprofite/ Senat hofft auf Dienstleistungsbetriebe

In der Nacht hat sie die Pro-Berlin- Entscheidung des Bundestages noch gefeiert. Seit dem frühen Morgen hingegen hängt Barbara Böttcher am Telefon. Als Prokuristin bei der Berliner Immobilienfirma konnte sie schon gestern eine „unbedingt verstärkte“ Zahl von Kaufinteressenten registrieren. Anleger und Investoren aus Westdeutschland und den europäischen Nachbarländern hätten den Kauf oft „bis zum heutigen Tage aufgeschoben“ und zeigten jetzt ihren „Kaufwillen deutlich“. Schon seit Monaten beflügelten die Hauptstadthoffnungen die Investoren. Sie seien sich ohnehin sicher gewesen, daß Berlin das Rennen machen würde, heißt es in der Branche. Es habe deshalb „sehr viele Anfragen“ nach Gewerbe- und Büroräumen gegeben.

Private Geschäftsleute mit Bonner Adresse hätten ebenso wie Diplomaten bereits vor der entscheidenden Bundestagssitzung um Vermittlung großzügiger Villengrundstücke gebeten, heißt es bei der Firma BHW Immobilien. So viele 5.000 bis 6.000 Quadratmeter große Liegenschaften in bester Lage in den Stadtteilen Grunewald und Nikolassee könne man bei weitem nicht anbieten, wie nach ihnen gesucht werde. Man empfiehlt deshalb längst auch Grundstücke im Umland. Freilich rechnet die Branche damit, daß sich jetzt auch private Immobilienbesitzer hervor wagen und verstärkt ihre Immobilien auf den Markt bringen. Auch die Verkäufer hätten die Hauptstadtentscheidung des Bundestages „noch abgewartet, um den Preis hochzutreiben“.

In der Senatswirtschaftsverwaltung hofft man nun auf einen verstärkten Zuzug von Dienstleistungsunternehmen an die Spree. Den Regierungseinrichtungen könnten jetzt Anbieter von Software, Bürokommunikation und Organisationsdienstleistungen folgen. Entscheidungen „von heute auf morgen“ seien freilich nicht zu erwarten. Nicht alle seien zu einem ähnlich „entschlossenen“ Auftreten bereit wie der Daimler-Benz-Konzern. Die Stuttgarter hatten bereits im Februar letzten Jahres ihre Absicht publik gemacht, am Potsdamer Platz eine Zentrale für ihr neues Dienstleistungsunternehmen „Debis“ zu errichten. Noch nicht endgültig entschieden haben sich eine Reihe weiterer Großkonzerne, darunter Sony und ABB.

Der Investorenbetreuer der Senatsbauverwaltung, Hanno Klein, der einige dieser Vorhaben begleitet hatte, war am vergangenen Mittwoch einem mit einer Briefbombe verübten Attentat zum Opfer gefallen. Sein ehemaliges, für private Investitionsvorhaben zuständige Referat war für neue Interessenten gestern nicht zu erreichen: Die im Ostteil der Stadt gelegene Stelle war mit ihrem eigenen Umzug beschäftigt. Weil die Post beim Neuanschluß der Leitungen den Telefax- mit dem Telefonanschluß verwechselt habe, sei auch „die Standleitung nach West- Berlin völlig tot“, klagte eine Mitarbeiterin. „Wir sind ein bißchen von der Welt abgeschnitten.“ Hans-Martin Tillack, Berlin

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