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Das jahrelange Schweigen über Homosexualität brechen

In Mexiko ging die 13. Internationale Schwulen- und Lesbenkonferenz am Wochenende zu Ende/ UNO erkennt die ILGA an  ■ Aus Acapulco Sybilla Flaschka

Für viele der rund zweihundert TeilnehmerInnen aus 30 Ländern war es eine Enttäuschung, daß die Konferenz nicht wie geplant in der mexikanischen Stadt Guadalajara stattfinden konnte. Mordwarnungen und Bedrohungen der Hotelbesitzer sowie Proteste seitens der Kirche führten dazu, daß der Tagungsort der 13. Schwulen- und Lesbenkonferenz ins noble Acapulco verlegt werden mußte. Mit einem Umzug durch die Straßen von Acapulco und nach einer sechstägigen Diskussion über Aids, Antihomosexuellen-Gesetze, Menschenrechte und Kirche endete am vergangenen Wochenende die 13. Jahreskonferenz der Internationalen Gay- und Lesbenvereinigung (ILGA). Zum ersten Mal fand sie auf lateinamerikanischem Boden statt, was sich nicht nur auf die inhaltliche Diskussion der Themen auswirkte, sondern auch — und das wurde als einer der wichtigsten Aspekte des Treffens betrachtet — die Präsenz der Homosexuellengruppen in Lateinamerika deutlich machte. „Jahrelang waren wir unter den Militärdiktaturen zum Schweigen verurteilt“, meinte einer der Teilnehmer, „aber die politische Landschaft hat sich verändert, Demokratisierungsprozesse und stärkere wirtschaftliche Verbindungen mit Europa und den USA haben uns geholfen, aus dem Schrank zu kommen.“

Doch gerade der Vergleich mit Europa und den USA zeigte im Laufe der Konferenz, wie schwierig es ist, gemeinsame Strategien auszuarbeiten. Während es in den Industrienationen um Forderungen wie Anerkennung der Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern oder Adoptionsrecht für Homosexuelle geht, ist es in Lateinamerika nichts Ungewöhnliches, wegen „unmoralischen Verhaltens“ von der Straße weg verhaftet zu werden. Auch wenn Homosexualität in nur wenigen Ländern des Kontinents als Delikt geahndet wird, so genügt der Verdacht des „unmoralischen Verhaltens“, um damit Razzien, Schließung und Versammlungsorten oder Entlassung vom Arbeitsplatz zu begründen.

Vertuschung der realen Zahlen, unzureichende Aufklärungsprogramme und fehlende Unterstützung für Selbsthilfeguppen bestimmten den Ton zum Thema Aids. Zwar räumten die Delegierten ein, daß sie stärker an einem Kontrollsystem in den eigenen Reihen arbeiten müssen; gleichzeitig wiesen sie jedoch darauf hin, daß die Zahl der Aids-Erkrankungen in den letzten Jahren weit mehr innerhalb der heterosexuellen Beziehungen gestiegen sei.

Ebenso verurteilte die Jahresversammlung der ILGA ein kürzlich von den USA verabschiedetes Einwanderungsgesetz, daß nicht nur einen Aids-Test als Bedingung für einen Einwanderungsantrag vorsieht — wobei der/die AntragstellerIn in keiner Weise vom Ergebnis unterrichtet wird —, sondern auch die Ausweisung von LateinamerikanerInnen veranlaßt, die sich in den USA infiziert haben. Als „reinen Rassismus“ bezeichnete eine Teilnehmerin, die in San Francisco mit Flüchtlingen arbeitet, ein Gesetz, das nach ihren Angaben Tausende dazu verurteilt, unter schlimmsten Bedingungen zu leben, weil sie aus Angst vor der Ausweisung keinen Arzt aufsuchen.

Harte Kritik ging ebenfalls an die Adresse der katholischen Kirche. Als unvereinbar mit den geistigen Inhalten des Christentums von Nächstenliebe und Gleichberechtigung bezeichneten die Delegierten die Ablehnung und Diskrimierung von Homosexuellen, zumal die Mehrheit der Homosexuellen praktizierende Katholiken seien.

Als konkretes Ergebnis sowohl der Konferenz als auch aller vorausgegangenen Bemühungen, konnten die Delegierten die Anerkennung der ILGA durch die Organisation der Vereinten Nationen mit nach Hause nehmen. „Es ist ein erster Schritt hin zur Garantie der Menschenrechte und zur Schaffung eines Klimas, das die Verfolgung und Diskriminierung von Homsexuellen unterbindet“, begrüßte Liza Poxer, die Generalsekretärin der ILGA die Entscheidung und fügte hinzu, daß gerade in Ländern wie dem Iran, Argentinien oder Peru keinerlei Garantien für das Leben von Homosexuellen existieren. Mit der Anerkennung wird der ILGA, die mit 100.000 Mitgliedern in 55 Ländern vertreten ist, das Recht zugestanden, die Situation der Homosexuellen in der Generalversammlung der UNO zu diskutieren und darüber hinaus eine eigene Arbeitsgruppe im Rahmen der Vereinten Nationen aufzubauen, um aus dem Schatten der „ethnischen Minderheiten auszutreten“.

Brillant vorbereitet waren dieses Jahr die Lesbenarbeitsgruppen. In sieben AGs ging es um Lesben und Aids, Rassismus, Macht, Arbeit in Organisationen und last but not least die Sichtbarkeit von Lesben, sowohl innerhalb der ILGA wie auch gesamtgesellschaftlich. Die Lesben stellten fast die Hälfte der KonferenzteilnehmerInnen.

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