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Stasi-Opfer mit verbundenen Pfoten

Eine Gröpelinger Hausfrau grämt sich über eine Ratte, die in ihrer Schrankwand Quartier bezogen hat. Statt nunmehr zur Luftpistole oder zum Hammer zu greifen bzw. nach Ehemann oder Hausfreund zu rufen, alarmiert sie die Polizei. Die Funkstreifenbesatzung baut nunmehr hilfsbereit die dreiteilige Schrankwand auseinander, treibt das Tier ins Freie zurück und baut die Schrankwand wieder zusammen. Danach protokollieren die Beamten den Vorfall, und die Pressestelle der Polizei erstellt daraus eine Information für die Medien. So gemütlich planscht man also im Sommerloch 91.

Auch Betteln in Bremen ist nicht mehr, was es früher einmal war. Längst ist der hilflose Appell an edle Gesinnung zumindest bei der Avantgarde der Almosenheischenden einem zielgruppenorientierten Marketingdenken gewichen. Einzelne bettelten zwar immer schon mit der handgemalten Losung „Ich schäme mich, aber stehlen will ich auch nicht“ oder „Mein Hund hat Hunger“, aber inzwischen ist dieser Ansatz weiter ausgereift. „HIV-positiv und arbeitslos: Ich könnte Ihr Sohn sein“, heißt es da etwa bei einem Bettelmann in der Sögestraße, und in der Obrrnstraße war gestern zu lesen: „Stasi-Opfer mit zwei lieben Hunden sucht Hilfe. Möchte meine Lebenserinnerungen veröffentlichen. Bin für jeden Groschen dankbar. Freiheit statt Sozialismus“. Sein Hut war ganz ordentlich gefüllt — aber hat denn die Konrad-Adenauer-Stiftung keinen Bedarf an diesem Referenten?

Als Sieg der Demokratie bezeichnete CDU-Fraktionschef Peter Kudella die Entscheidung des Staatsgerichtshofs gegen das Ausländerwahlrecht und warf dem Senat verfassungswidriges Handeln vor. So weit, so wohl auch zu erwarten. Aber dazu dieses herrliche Gesicht des Herrn K. in Buten & Binnen, diese fleischgewordene Grundgesetzlichkeit, eingespeichelt in den Hamsterbacken deponiert: Sehenswert, unbedingt sehenswert — selbst für die, denen bei Freddie Krüger schon lange nicht mehr gruselt.

Zum Sonntagsvergnügen gehört für viele der Weg zum Bürgerweiden- Flohmarkt. Speziell das breitgefächerte Angebot der polnischen Kleinhändler von Marlborro über Snappss bis hin zur original Krakauer findet lebhaftes Interesse. Spielverderberisch mischte sich inzwischen, alarmiert von hiesigen Tabak-Traffikanten und Branntweinkleinverschleiß-Betrieben, der Zoll in das freie Spiel der Marktkräfte ein. Als Begleitmusik dazu lancierte offenbar das deutsche Schlachtergewerbe bei DPA eine Meldung, wonach in den Wurstwaren polnischer Straßenhändler Stücke von Hundeohren und Pfoten ungeklärter Herkunft gefunden worden sind. Melden Sie uns bitte umgehend, wenn Ihr Schlachter mit verbundenen Pfoten herumläuft.

Der Autofahrer-Dürfen-Alles-Club (ADAC) warnt dieser Tage wieder seine freien Bürger vor den Gefahren, die allüberall durch heimtückische oder gemeingefährliche Tramper lauern. Auf ein Risiko hinzuweisen aber vergaß die Lobby des Automobilismus: Schöner Brauch frustrierter Hitch-Hiker ist es, nach Stunden vergeblichen Wartens den Gestellrucksack zu nutzen, um damit schwer heilende Wunden in den Lack von besternten Neuwagen oder BMWs vorzugsweise der 5er-Serie zu kratzen. Dem Frust aber ist nur zu entkommen, indem man ihn gar nicht erst aufkommenlässt, werte Kraftfahrzeughalter! Ulrich Reineking-Drügemöller

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