: Friedhofsruhe bei der CSU
CSU-Parteiausschuß in Ansbach votiert für eine Verschärfung der Abtreibungsregelung/ Waigel: Indikation muß justitiabel werden/ Kein Diskussionsbedarf an Basis und Parteispitze ■ Aus Ansbach Bernd Siegler
Der CSU-Vorstand hat es wieder einmal geschafft, die Christlich-Soziale Union demonstrierte auf ihrem kleinen Parteitag in Ansbach absolute Geschlossenheit. Die 170 Delegierten nahmen widerspruchslos die Vertagung des vorher heftig umstrittenen Umweltprogramms hin und plädierten bei nur einer Gegenstimme für eine erhebliche Verschärfung des Paragraphen 218. Der Vorsitzende der CSU-GrundsatzKommission und bayerische Innenminister Edmund Stoiber sieht die „Ansbacher Erklärung zum Schutz der ungeborenen Kinder in Deutschland“ von „überragender Bedeutung für das Profil der CSU“. Damit habe sich seine Partei als „der stabile Teil der Union“ erwiesen.
Die noch amtierende Vorsitzende der Frauen-Union der CSU, Ursula Männle, hatte schon bei der Vorstellung der „Ansbacher Erklärung“ der „bewußtseinsbildenden Kraft des Strafrechts“ einen hohen Stellenwert eingeräumt. Eine Fristenlösung komme für die CSU nicht in Frage, denn Abtreibung bleibe „grundsätzlich Unrecht“. Der von der CSU ansonsten bei jeder Gelegenheit hochgehaltene Grundsatz „Weniger Staat — mehr Freiheit“ wird in der zwölfseitigen „Ansbacher Erklärung“ auf den Kopf gestellt. So fordert die CSU neben einer Zwangsberatung die Verankerung neuer Tatbestände im Strafgesetzbuch. Künftig soll sich der Vater und auch das „Umfeld der Schwangeren“ einer „schwerwiegenden Gefährdung des menschlichen Lebens“ schuldig machen, wenn sie eine „schwangere Frau in ihrer Notlage allein lassen“. Auch die öffentliche Erklärung, einen Arzt „zwecks Erreichung der Indikationsstellung getäuscht“ zu haben, soll „selbständig unter Strafe“ gestellt werden. Um der Abtreibungsschnüffelei eine konkrete gerichtsverwertbare Grundlage zu geben, soll nicht nur der Arzt seine Indikation „hinreichend“ schriftlich dokumentieren, sondern auch die Frau die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben beim indikationsstellenden Arzt mit ihrer Unterschrift besiegeln. Indikationen müssen „justitiabel“ werden, hatte CSU-Chef Theo Waigel als entscheidendes Kriterium für eine CSU- Abtreibungsregelung gefordert.
Die von der CSU vorgeschlagene Neuregelung soll nur noch zwei Indikationen, die medizinische und eine schwere Notlagenindikation, enthalten. Mit der Abschaffung der selbständigen eugenischen Indikation will die CSU das „Mißverständnis beseitigen, allein die Schädigung des ungeborenen Kindes indiziere schon die Abtreibung“. Stoiber betonte, daß die „Ansbacher Erklärung“ die Fortsetzung der beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Klage der Bayerischen Staatsregierung insbesondere gegen die generelle Finanzierung von Abtreibungen durch die Krankenkassen darstelle. Er sehe in den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen zum 218 von Seiten der CSU aus „keinen großen Verhandlungsspielraum mehr“. Der frühere Bundesverkehrsminister Jürgen Warnke forderte von seiner Partei in dieser Frage einen Einsatz, der dem „eines Wahlkampfes gleicht“. Schließlich sei das kommende Jahr „das Schicksalsjahr für den Schutz der ungeborenen Kinder“. Warnke scheute auch vor einem Vergleich der Abtreibung mit dem Holocaust der NS-Zeit nicht zurück. „Wir müssen jenen Abfall vom christlichen Sittengebot verhindern, gegen den unser Volk für immer gefeit sein sollte.“
Die CSU will ihre Regelung als „Verbesserung der Situation“ verkaufen und verweist auf die verabschiedeten „Hilfen zum Leben“. Dazu gehören unter anderem neben einem steuerfreien Existenzminimum für Kinder, die Verlängerung des Erziehungsurlaubs und —geldes, der Anspruch auf einen Kindergartenplatz, die Förderung von Elterninitiativen und Mütterzentren sowie die Intensivierung des sozialen Wohnungsbaus. Ganze sieben Zeilen hat die CSU in ihrer Ansbacher Erklärung für den Punkt „Für eine kinderfreundliche Gesellschaft“ reserviert. „Wir dürfen uns nicht aufdrängen lassen, daß unser Vorschlag eine Verschärfung der Situation darstellen soll“, argumentierte Gesundheitsministerin Gerda Hasselfeldt. Nur Miriam Leicht, Volkswirtschaftsstudentin und Mitglied der Jungen Union ausgerechnet aus dem tiefschwarzen Kreis Rhön-Grabfeld, hatte bei der anschließenden Abstimmung den Mut, gegen die „Ansbacher Erklärung“ zu stimmen.
Alle anderen Beschlüsse des CSU-Parteiausschusses wie beispielsweise die Resolution zur Situation in Jugoslawien oder das gesundheitspolitische Programm wurden CSU-typisch einstimmig gefaßt. Selbst die vom Parteivorstand beschlossene kurzfristige Absetzung des Umweltprogramms mit der Forderung nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen fand keinerlei Widerspruch. Parteichef Waigel stufte die Diskussionen im Vorfeld zum Thema Tempolimit als „Kleinmut“ ein, Ministerpräsident Max Streibl sprach gar von „Quengelei“. So sorgte nur die Hitze für Unruhe im Saal. Der Diskussionsbedarf der Basis, aber auch der Parteispitze ist gering. Symptomatisch dafür Streibls Bilanz seiner Regierungstätigkeit. „Was soll ich Ihnen eigentlich sagen“, begann er seinen Rechenschaftsbericht. „Bei uns sind Finanzen und Wirtschaft in Ordnung... Wir sind Spitze...Nirgends kann man uns etwas anhaben... Wir haben die Dinge im Griff.“ Die CSU sei die „erfolgreichste Partei in Deutschland“. Die Partei stehe zusammen, nur „gewisse Linksorgane“ machten sich zu „Kampforganen einer unfähigen Opposition“. Der Beifall war ihm sicher.
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