Solidaritätsdemo Hausprojekt L15: „Polizeigesetze betreffen uns alle“

Bei der Durchsuchung eines Tübinger Wohnprojektes sei die Polizei zu weit gegangen, so die Bewohner:innen. Bei der Durchsuchung eines alternativen Tübinger Wohnprojektes sei die Polizei zu weit gegangen, so die Bewohner:innen.

Lu15-Solidaritätsdemo, im Hintergrund das Tübinger Epplehaus Bild: Torben Becker

von TORBEN BECKER

Anfang Februar wurde das linksalternative Wohnprojekt Lu15 in Tübingen von der Polizei durchsucht. Die Bewohner:innen kritisieren den Einsatz auf einer Demonstration am 14. Februar als unverhältnismäßig. Zudem sei den Schilderungen der Polizei in der lokalen Berichterstattung viel Raum gegeben worden. Für die taz Bewegung wird im folgenden Bericht aus Tübingen die Perspektive der Betroffenen geschildert.

Die Wut auf die Polizei ist noch groß. 350 Menschen sind am 14. Februar unter dem Motto „Wir stehen zusammen“ mit einer Solidaritätsdemonstration für das linksalternative Wohnprojekt Lu15 durch die Stadt gezogen. Das Haus wurde eine Woche zuvor von der Polizei durchsucht.

Grund dafür war die kurzzeitige Festnahme von Martha B., Bewohner:in der Lu15, und einer weiteren Person am Vorabend. Bevor sich der Demonstrationszug vom „Sternplatz“ in Richtung der Tübinger Altstadt in Bewegung setzt, kritisieren Bewohner:innen und Nachbar:innen den Polizeieinsatz in Redebeiträgen als unverhältnismäßig. Begleitet wird die die Demonstration von einem Großaufgebot der Polizei.

Vorausgegangene Kooperationsgespräche zwischen Anmelder:innen, Polizei und Stadt sorgen für einen friedlichen Demoverlauf. Am Abend des 3. Februar wurden „die beiden vom Landgericht“, wie die Beschuldigten auf der Demonstration genannt werden, in der Doblerstraße festgenommen.

Verhör und videoüberwachte Arrestzelle

Mit einem mit Farbe gefülltem Feuerlöscher wollten sie das Gerichtsgebäude besprühen. Versuchte Sachbeschädigung wird ihnen nun vorgeworfen. Gegenüber der taz Bewegung schilderte Martha B. ihre Festnahme, auf welche ein Verhör und ihre Unterbringung in einer Arrestzelle in Tübingen folgte: „Um die zwölf Stunden muss ich in der Zelle gewesen sein. Da war nichts drin, ich habe keine Decke bekommen. Die Zelle war videoüberwacht, das Licht ununterbrochen von außen angeschaltet und ich die ganze Zeit unbekleidet. Das war extrem schrecklich für mich und ich wusste nicht wie es weitergeht.“

Noch bevor Martha B. am Nachmittag des 4. Februars freikam, durchsuchte die Polizei das Wohnprojekt an der Ludwigstraße 15 für mehrere Stunden. Viele der rund 70 Polizist:innen waren vermummt. Bei der Auftaktkundgebung am Freitag schilderten Bewohner:innen des Hauses ihre Erlebnisse: „Ich habe offensichtlich große Angst: Vor den vermummten BeamtInnen, die ich nicht einschätzen kann, die gerade dreist und offen die Rechtslage ignorieren, die unrechtmäßig in meinen Sachen gewühlt haben.“

Der Durchsuchungsbeschluss sei erst auf mehrmalige Nachfrage gezeigt, eine Kellertür unnötig zerstört worden, und Beamte hielten sich in Räumen auf, für die sei keinen Dursuchungsbeschluss hatten, so erzählte es ein weiterer der rund 30 Bewohner:innen der Lu15.

Unverhältnissmäßiger Polizeieinsatz

Die Anschuldigen gegen die Polizei sowie die Kritik an der Verhältnismäßigkeit der Hausdurchsuchung wies der Leiter der Reutlinger Polizei-Pressestelle, Björn Reusch, am 12. Februar gegenüber dem Schwäbischen Tagblatt als haltlos oder falsch zurück.

„Der Darstellung der Polizei wurde extrem viel Raum gegeben und ich als lügende Mehrfachtäterin diffamiert“, kritisiert B. Denn neben der versuchten Sachbeschädigung ermittle die Polizei nun in drei weiteren ungeklärten Fällen gegen B. (zwei weitere Farb- und ein Brandanschlag). Das sei jedoch Spekulation: „Die können mir diese Taten nicht nachweisen, weil ich es nicht war“, bekräftigt sie.

Pünktlich zum Demobeginn um 19 Uhr wird der Lautsprecherwagen zum Laufen gebracht. Der weiße Jeep, der um eine Rednerbühne aufgestockt und mit übergroßen Lautsprechern bestückt ist, setzt sich langsam in Bewegung. Davor und dahinter schlängelt sich eine laute dunkle Masse aus Menschen.

Im Spalier begleiten Polizist:innen den Demonstrationszug. Diese sind nicht behelmt, sondern tragen im schummrigen Stadtlicht leuchtende Warnwesten: „Wichtig ist, den sicheren Ablauf der Demonstration und des Verkehrs zu gewährleisten“, erklärt Polizeisprecher Martin Raff am Rande der Demo. Dennoch sei das Augebot der Polizei verhältnismäßig groß.

Auch Rainer Kaltenmark, Leiter des Tübinger Ordnungsamts, begleitete als Beobachter die Demo. „Die Inhalte der Demonstration finde ich natürlich nicht gut. Aber sie ist gut verlaufen.“ Das sei auch auf die konstruktive Kooperationsgespräche zurückzuführen, die die Veranstalter:innen der Demonstration im Vorfeld mit der Polizei und der Stadt führten. Er meint Inhalte wie „BRD, Bullenstaat, wir haben dich zum Kotzen satt.“

Folgen des verschärften Polizeigesetzes

Viele der Teilnehmer:innen vermuten hinter dem Polizeieinsatz einen politischen Zusammenhang. Ein Redner, der an der Ecke vor dem Epplehaus für das Offene Treffen gegen Faschismus und Rassismus“ (OTFR) einen Beitrag hält, führt das maßlose Durchgreifen auf die Verschärfung des Baden-Württembergischen Polizeigesetzes zurück: „Allgemein geht die Tendenz zu immer mehr polizeilichen Befugnissen, Verlagerung in die spekulative Prävention, immer stärker vernetzte und umfassendere Datensammlungen und -auswertungen und militärischer Schwerstbewaffnung.“ Das sei auch der Grund wieso ein friedlicher Demonstrationsverlauf auch für die Veranstalter:innen wichtig ist.

„Diese Polizeigesetze betreffen uns ja alle“, erklärt Diana Merz, Pressesprecherin der Demo als die Abschlussbeiträge auf dem Marktplatz verlesen werden. Auch sie ist zufrieden: „Die Demonstration war cool. Dass so viele Menschen gekommen sind, hat mir viel Kraft gegeben. Jetzt atmen wir durch und versuchen langsam wieder in unseren Alltag zurückzukehren.“

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