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Deutsche Truppen nach Jugoslawien?

■ Vor der morgigen WEU-Tagung warnen SPD-Politiker vor der Teilnahme deutscher Soldaten an einer europäischen Eingreiftruppe/ CDU rät grundsätzlich zu, aber von Fronteinsatz ab

Hamburg (dpa) — Nach dem niederländischen Vorschlag zur Entsendung einer bewaffneten Friedenstruppe der Westeuropäischen Union (WEU) in das jugoslawische Krisengebiet zeichnet sich eine innenpolitische Kontroverse auch unter dem Aspekt einer Bundeswehr-Beteiligung ab. Führende Politiker der SPD lehnten am Dienstag ein militärisches Eingreifen von außen ab. Unterdessen rechnen hohe Bonner Regierungskreise mit einer diplomatischen Anerkennung Kroatiens und Sloweniens in den nächsten Tagen, wenn die jugoslawische Bundesarmee massiv eingreifen sollte.

SPD-Fraktionschef Hans-Jochen Vogel warnte in Bonn angesichts der unterschiedlichen Positionen der EG-Staaten vor einem Auseinanderbrechen der Gemeinschaft. Vor Journalisten sagte er: „Wir müssen jetzt in erster Linie dafür sorgen, daß die EG beieinanderbleibt.“ Vogel wandte sich gegen ein militärisches Eingreifen und plädierte für eine drastische Erhöhung der Zahl der EG- Beobachter, gezielte Wirtschaftssanktionen und die Einschaltung der Vereinten Nationen in den Konflikt.

Als abwegig bezeichnete der außenpolitische Sprecher der SPD, Norbert Gansel, den Vorschlag des amtierenden EG-Ratspräsidenten Hans van den Broek, eine leicht bewaffnete Friedentruppe zu entsenden. Gansel warf dem niederländischen Außenminister vor, damit seine Erfolglosigkeit zu vertuschen. Van den Broek sollte lieber den Antrag des Präsidenten des jugoslawischen Staatspräsidiums, Stipe Mesic, auf Einberufung des UNO- Sicherheitsrates und Entsendungen von Blauhelmen unterstützen. Im übrigen sei von jedem deutschen Politiker die Einsicht zu erwarten, daß sich ein Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Jugoslawien aus den verschiedensten Gründen verbiete.

Sein Fraktionskollege Karsten Voigt forderte die EG auf, wirtschaftliche Sanktionen zu verhängen. Im Hessischen Rundfunk meinte er, in der Frage der Entsendung von Friedenstruppen sei die Mehrheit der Westeuropäischen Union gegen diesen Einsatz. Auch die Beteiligung von UNO-Blauhelmen sei indiskutabel und nicht möglich, da die Voraussetzung, nämlich die Einstimmigkeit aller Betroffenen, also auch die Zustimmung der Serben, fehle.

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Karl Lamers, befürwortet eine deutsche Beteiligung an einer europäischen Eingreiftruppe in Jugoslawien. Der 'WAZ‘ sagte er, eine europäische Friedenstruppe ließe sich binnen 14 Tagen auf die Beine stellen. „Wir müssen nicht gerade in vorderster Linie stehen“, meinte Lamers, Deutschland müsse aber — anders als im Golfkrieg — „an Ort und Stelle“ bei der Konfliktlösung beteiligt sein. Einheiten der Bundeswehr könnten Material liefern oder den Transport von Truppen und Rüstungsgütern übernehmen.

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