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Benecke-Stiftung: Köpfe rollen

taz-Veröffentlichungen zu den Machenschaften der Otto-Benecke-Stiftung zeigen Wirkung/ Cronenberg tritt zurück, Vorständler wurde gefeuert, Ministerium greift durch  ■ Von Gerd Nowakowski

Berlin (taz) — Im Skandal um die Otto-Benecke-Stiftung (OBS) sorgt der zunehmende öffentliche Druck für personelle Konsequenzen. Die taz- Veröffentlichungen über den merkwürdigen Umgang der Stiftung mit einem derzeitigen Jahressetat von 230 Millionen Mark Staatsgeldern haben insbesondere beim OBS-Vorstandsmitglied Volker Grellert Wirkung gezeigt.

Wenige Tage vor der OBS-Vorstandssitzung in der kommenden Woche wurde der OBS-Mitgründer aus seiner Zweitaufgabe als Vorstandsvorsitzender der OBS-Eigengründung "Gesellschaft zur Förderung berufsspezifischer Ausbildung" (GFBA) gefeuert. "Wegen groben vereinsschädigenden Verhaltens ... ausgeschlossen", heißt es im Protokoll des GFBA-Vorstands. Die taz hatte berichtet, daß Grellert für seine ehrenamtliche Tätigkeit seit langem zusätzlich abkassierte. Als Partner der GKR Unternehmensberatung stellte Grellert beispielsweise für "Beratungstätigkeit" der GFBA im ersten Halbjahr 1991 weit über 500.000 Mark in Rechnung. Auch der von Grellert in die GFBA gebrachte Geschäftsführer Hansen wurde nach GFBA-Angaben „vorläufig beurlaubt".

Die Otto-Benecke-Stiftung reicht von der Staatsknete jährlich rund 130 Millionen Mark an die GFBA weiter — ohne daß bislang der Rechnungshof den ordnungsgemäßen Verbleib der Gelder kontrollieren kann. Die OBS ist außerdem umgeben von einem undurchsichtigen Geflecht von Unter-Unter-Organisationen, an denen die OBS-Oberen teilweise wiederum beteiligt sind.

Nach den taz-Enthüllungen hat auch der stellvertretende Bundestagspräsident Dieter-Julius Cronenberg (FDP) kalte Füße bekommen. Er will auf der kommenden Vorstandssitzung der Benecke-Stiftung vom Amt des OBS-Vorstandsvorsitzenden zurücktreten. Vor dem unfreiwilligen Rücktritt steht auch der OBS-Generalsekretär Wolfgang Beitz, der bislang noch vom OBS- Kuratoriumsvorsitzenden und Berliner Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen(CDU) gestützt wurde.

Unruhig geworden ist auch die Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth (CDU). Ihr bereits mit der Affäre um den illegalen Dienstwagengebrauch belastete Ehemann Hans Süßmuth erfreute sich der besonderen Aufmerksamkeit der OBS. Mit den satzungsgemäßen Zielen der OBS-Eingliederung und -Ausbildung von Aussiedlern und Flüchtlingen hat der Geschichtsdidaktiker Süßmuth nichts zu tun. Dennoch finanzierte die Stiftung in den letzten Jahren Seminare für Herrn Süßmuth und drei Bücher, in denen Süßmuth als Herausgeber fungierte. Rund 600.000 Mark an Anschubfinanzierung war der Stiftung die Gründung eines Instituts in Düsseldorf wert, an dem Professor Süßmuth als Vorständler wirkt. Das Geld — von der OBS aus dem Haushalt des Bildungsministeriums bezogen — wurde im OBS-Verwendungsnachweis neutral unter dem Titel „Akademikerprogramm" verbucht. Auch als Gallionsfigur einer vom OBS-Generalsekretär Beitz und Vorständler Grellert initiierten „Gesellschaft zur Förderung deutsch-sowjetischer Wirtschaftsbeziehungen" ließ sich Süßmuth einspannen. Rita Süßmuth stand vor dem Wechsel auf den Sitz der Bundestagspräsidentin dem Ministerium für Familie, Frauen und Jugend vor. Die Otto-Benecke-Stiftung ist der größte Zuwendungsempfänger dieses Ministeriums.

Die zumindest fragwürdigen Aktivitäten Professor Süßmuths haben inzwischen auch in der Union für Nachfragen gesorgt. Insbesondere aus CSU-Kreisen wird Kritik geübt. Durchgreifen will auch die Ministerin für Frauen und Jugend, Angela Merkel(CDU). Die neue Favoritin von Bundeskanzler Kohl hat absolut keine Neigung, sich in Altlasten ihrer Amtsvorgängerin Süßmuth hineinziehen zu lassen. Der Bundesrechnungshof hatte in seinen von der taz veröffentlichten internen Berichten gravierende Verfehlungen der Benecke-Stiftung im Umgang mit den öffentlichen Millionen aufgedeckt. Das Merkel-Ministerium hat jetzt verlangt, daß der Rechnungshof auch bei der GFBA Prüfungsrechte bekommt.

Der Rechungshof hatte in seinen Ende 1990 fertiggestellten Berichten beim internen Zahlungsverkehr zwischen OBS und GFBA Überzahlungen in Millionenhöhe festgestellt. Diese Zahlungen seien außerdem „durch kaum nachvollziehbare Buchungen verschleiert" worden. Die Prüfer stellten unter anderem fest, daß Ende 1990 auf OBS-Konten fast 100 Millionen Mark lagerten, die — so die Prüfer — „dann ohne nähere Prüfung auf Ausgabetitel umgebucht worden sind". Lange Zeit hatte das Ministerium sehr gebremst auf die Vorwürfe des Rechnungshofs reagiert. Dafür sorgte unter anderem der Referatsleiter Ministerialrat Horst Juncker, der nicht nur für die OBS-Geldzuweisung zuständig war, sondern auch gleichzeitig seit vielen Jahren im OBS-Vorstand sitzt. Mit dem OBS-Vorständler Grellert ist Juncker freundschaftlich verbunden. Im Sommer verbrachten beide Familien einen gemeinsamen Urlaub in Ostdeutschland. Erst nach den taz-Veröffentlichungen hat Ministerin Merkel nun entschieden, daß Juncker nicht mehr auf OBS-Vorstandssitzungen teilnehmen darf.

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