: Bonn schützt Deutsche vor Ausländern
In der gestrigen Sitzung des Parlaments wurde statt über die Anschläge auf Ausländer vorwiegend um das Asylrecht und seinen angeblichen Mißbrauch gestritten/ Brandrede von Schäuble ■ Aus Bonn Ferdos Forudastan
Es hatte in der gestrigen Debatte des Bundestages um die hierzulande bedrohten Ausländer gehen sollen. Es ging um die Deutschen. Darum, wie man sie vor allzu vielen Fremden im eigenen Land bewahrt. Darum, wie man verhalten Verständnis dafür zeigt, daß ein Teil dieser Deutschen die Ausländer vertreiben will.
So bezeichnete Innenminister Wolfgang Schäuble den Anlaß der Parlamentssitzung gleich zu Beginn als „doppelt unerfreulich“. Unerfreulich sei die Gewalt gegen Ausländer, die er knapp mit wenigen Urteilen wie „Schande für unser Land“ verurteilte. Ebenfalls „unerfreulich“ nannte er es, womit er sich dann bis zum Schluß seiner Rede beschäftigte: Daß viele Ausländer versuchten, mittels des Asylrechts hier ein Bleiberecht zu bekommen und daß sie die geltenden Zuwanderungsbeschränkungen unterliefen. Wie gewöhnlich forderte Schäuble, den Asylartikel 16 des Grundgesetzes zu ändern.
Selbst für ihn ungewöhnlich war die Schärfe, in der er dies einklagte. Er zog „bürgerkriegsähnliche Zustände“ in Ausländerwohnheimen heran. Er drohte versteckt mit noch schlimmeren Zuständen: Nur wenn die Sozialdemokraten sich „gesprächsbereit“ für eine Änderung des Asylartikels zeigten, „bleibt die Bundesrepublik ein ausländerfreundliches Land“. Mittelbar machte der Innenminister das geltende Asylrecht für die Übergriffe verantwortlich: Diese hätten, so Schäuble, nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun. Er habe seit Jahren davor gewarnt, daß sich wegen der Asylrechtslage das Verhältnis zwischen Deutschen und Ausländern verschlechtere. Indirekt erklärte Schäuble es auch für sinnlos, was die Union letzte Woche mit SPD/FDP vereinbart hatte und wofür sich gestern auch die Innen- und Justizminister der Bundesländer aussprachen: daß die Asylverfahren weiter massiv gestrafft werden.
Mal leiser, mal lauter, aber immer ins gleiche Horn stießen hiernach auch die anderen Unionschristen gestern im Bundestag. Das wohl treffendste Urteil für seine Brandrede erhielt der Innenminister später von dem Sozialdemokraten Freimut Duve: „Sie haben der Angst der Deutschen vor den Ausländern eine halbe Stunde gwidmet und der Angst der Ausländer vor den Deutschen eine knappe Minute.“ Noch härtere Worte, allerdings für einen anderen Christdemokraten, fand die stellvertretende SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Herta Däubler-Gmelin. „Es gibt Sätze, an denen man Schreibtischtäter erkennt“, sagte sie an die Adresse von CDU-Generalsekretär Volker Rühe, und fing sich dafür eine Rüge von Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth ein.
Rühe hatte sich vor kurzem mit dem Satz hervorgetan, wenn die Sozialdemokraten der Grundgesetzänderung nicht zustimmten, sei künftig „jeder Asylant ein SPD-Asylant“. Allerdings: Trotz dieser und anderer Schärfen gegen die Union trennte auch Däubler-Gmelin die Asyldebatte nicht von den Übergriffen gegen Ausländer. Ein Beitrag gegen die Fremdenfeindlichkeit, so die Sozialdemokratin, sei auch, wie man mit der Zuwanderung umgehe. Immer wieder habe die SPD vorgebracht, daß man mit Verfahrenskürzungen „etwas tun“ könne. Die Sozialdemokratin forderte außer den Verfahrenskürzungen von der Regierung unter anderem, den Gemeinden Geld und Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Cornelia Schmalz-Jacobson, noch amtierende FDP-Generalsekretärin und demnächst Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, beteiligte sich mit ihrer Rede zwar kaum an der laufenden Scheindiskussion um das Asylrecht. Freilich verurteilte sie diese aber auch nicht. Zwar stellte sie fest, daß nicht die Zahl der Asylbewerber, sondern die Art, wie damit umgegangen werde, derzeit das Problem sei. Doch führte sie nicht aus, was sie zumindest flüchtig streifte: Über die wirklichen, sprich niedrigeren Zahlen von Asylbewerbern müsse man die Bevölkerung aufklären, über die Tatsache, daß Ausländer keine finanzielle Belastung seien und außerdem notwendig für die demographische Entwicklung in diesem Land.
Gegen die Asyldebatte wandte sich Konrad Weiß vom Bündnis 90/Grüne: Sie schüre die — ernstzunehmenden — Ängste der Bevölkerung vor der Einwanderung. Er kritisierte auch die „törichten Vereinbarungen“ von CDU/CSU/FDP/SPD zur Verfahrensstraffung. Gleichzeitig warb Weiß für ein Einwanderungsgesetz mit Quoten, das ein Teil der Gruppe Bündnis 90/Grüne demnächst als Entwurf ins Parlament einbringen wird — ein Ansinnen, für das Weiß von der PDS-Abgeordneten Ulla Jelpke heftig kritisiert wurde: Quoten für Einwanderer zu fordern heiße, mitbestimmen zu wollen, „wer kommen darf und wer nicht.
Wie wenig sich der Bundestag mit der aktiven und der passiven Fremdenfeindlichkeit in diesem Land befassen würde, davor hatte einen Tag zuvor der grüne Vorstandssprecher Ludger Volmer gewarnt: Auch diese Parlamentsdebatte werde der Radikalisierung dienen, werde weiter ein Scheinproblem zum Problem erheben, werde der Union Gelegenheit geben, „wieder einmal am Feindbild Ausländer zu malen und die SPD auf Kosten der Ausländer vorzuführen“.
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